„So ist der Stadtteil halt“

■ St. Pauli-Geschäftsführer und Vizepräsident Christian Hinzpeter im Interview über Schulden, Stadion und Sozialarbeit Von Clemens Gerlach und Kai Rehländer

taz: Wie würde denn der Trainer heißen, wenn das Spiel in Düsseldorf verloren gegangen wäre?

Christian Hinzpeter: Wir haben Uli Maslo zu einer Zeit verpflichtet, in der es nicht ganz einfach war. Ganz am Anfang habe ich mir dazu auch meine Gedanken gemacht: Ist es richtig, einen Älteren zu holen (Maslo ist 58 Jahre alt; die Red.), jemanden, den per se erstmal nicht der ist, den man zu St. Pauli holt. Ich war auch zur schwärzesten Zeit, zur Un-Zeit für viele Leute, davon überzeugt, daß wir an Maslo nichts verändern sollten.

Gab es nicht doch ein Ultimatum? Heinz Weisener wurde zumindest dahingehend zitiert, er wolle noch bis zum Düsseldorf-Spiel abwarten.

Ich weiß nicht, ob er das so gesagt hat. Mit einem Ultimatum hatten wir ja mal sehr viel Fortschritt eingeleitet. Daß man das aber wiederholt, halte ich für weniger schlau. Maslo hat vor der Saison gesagt, er möchte, daß die Spieler bis zur Winterpause komplett begriffen haben, was er eigentlich will, welches System. Ob man das nun Viererkette, Siebenerkette oder wie auch immer nennt, ist egal. Wichtig ist, daß die Spieler verstehen, was er möchte.

Was ist das denn?

Die einzelnen Mannschaftsteile sollen näher zusammenarbeiten. Dieses Ziehharmonika-System halte ich für eine schlaue Idee, auf die inzwischen schon andere kommen. Es gibt weniger zu laufen und man ist sowohl beim Torschuß als auch beim Paß zu seinem Nebenmann konzentrierter.

Das hat zu Saisonbeginn aber nicht geklappt.

Uli Maslo hat die Mannschaft erst sehr spät gehabt, ihm hat die ganze Vorbereitung gefehlt. Das mußte also ein bißchen dauern. Zudem haben wir am Anfang mit Wolfsburg, Rostock und Mannheim gleich starke Gegner gehabt, wie man jetzt sieht.

Wie sehen eigentlich die Sanierungspläne für den Verein aus (zwölf Millionen Mark Schulden, für die Präsident Heinz Weisener bürgt; die Red.)? Vielleicht Aufstieg, Uefa-Cup-Platz und dann kommen die Millionen an Fernsehgeldern?

Im Moment ist für uns eigentlich der DFB-Pokal finanziell viel interessanter. Wir stehen im Viertelfinale und hoffen nun auf ein Heimspiel gegen einen attraktiven Gegner. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten, die sind aber noch sehr vage. Aber man kann den Verein in der zweiten Liga nicht sanieren.

Der Etat (knapp neun Millionen Mark; die Red.) ist einer der höchsten in dieser Klasse.

Man kann in Hamburg nicht mit dem gleichen Etat spielen wie in Mainz. Die Ansprüche der Öffentlichkeit und der Fans in Hamburg sind immer höher geworden. St. Pauli ist nicht mehr der Underdog, der aus der Ober- in die Bundesliga aufgestiegen ist.

Die Aufmerksamkeit in den Medien müßte aber eigentlich auch Geld bringen.

Das tut sie auch, und da sind wir beim Thema Stadion. Wir haben hier einen Eintrittskartenpreis von im Schnitt elf Mark. Wir sind ein billiges Stadion und haben eine Reineinnahme von 220.000 Mark bei einem ausverkauften Spiel.

Das wissen Sie nicht erst seit gestern. Welche Konzepte oder Visionen hat der Verein?

Wir müssen die Einnahmen aus den Spielen verbessern. Bislang stecken wir jährlich 1,2 Millionen Mark ins Stadion, ohne daß wir davon viel haben – die Einnahmen fast einer kompletten Vorrunde sind einfach weg. Wir müssen also investieren, ohne den Charme aufzugeben, ohne das, was die Atmosphäre am Millerntor ausmacht.

Das wird ein Balanceakt ...

Einerseits ist es schwierig, andererseits ist auch klar, daß wir nur etwas bauen oder verändern werden, was auch den Interessen derjenigen entspricht, die das später nutzen sollen.

Wer sind „diejenigen“?

Wir wollen hier Funktionsräume errichten, damit wir auch Stadtteilarbeit im Stadion machen können. Die Pläne liegen auch der Stadt seit zweieinhalb Jahren vor, aber bislang hat sich da nicht viel getan.

Darunter können wir uns nur wenig vorstellen. Heinz Weisener hatte in der Vergangenheit von einem „Kommunikationszentrum“ gesprochen. Sollen Diskotheken ins Wilhelm-Koch-Stadion?

Natürlich nicht. Die ganzen Pläne berücksichtigen, daß wir auch beim Aufstieg auf die Bundesliga vorbereitet sind, damit nicht wieder die gleichen Fehler passieren wie damals. Wir müssen hier Strukturen schaffen, damit das auch eine Klasse höher klappen kann. Dazu gehört auch eine größere und modernere Geschäftsstelle.

Ein neues Büro für Christian Hinzpeter?

Was hier passieren soll, ist schlicht und ergreifend, daß da, wo es möglich ist, Funktionsräume reinkommen. Auch unsere Amateur-Abteilungen wie Tischtennis und Schach benötigen endlich eigene Räume.

Das bringt aber kein Geld.

Auch die Arbeitsbedingungen für Presse und Fernsehen müssen verbessert werden, ebenfalls der VIP-Bereich. Das ist hier noch nicht professionell genug organisiert. Sinnvoll wäre es auch, wenn der Fanladen seinen Platz am Stadion hätte. Die könnten nach dem Spiel noch etwas länger hier bleiben und müßten nicht extra zur Thadenstraße rennen. Man könnte an den Tagen Stadtteilarbeit machen, an denen hier kein Fußball ist, zum Beispiel auch Suchtberatung.

Woher kommt das Geld für die Investitionen? Wieder von Papa Weisener?

Wir dürfen trotz der besonderen Bedingungen hier, also Fans und unser Image „Hafenstraße, Helmut Schulte und ABM“, nicht aufgeben, professioneller zu werden. Dieses Bild hält, und es muß auch halten und die Basis sein. Das gehört zu diesem Stadtteil dazu wie auch die unterdurchschnittlichen Verdiener. So ist der Stadtteil halt. Gerade deshalb sehe ich für diesen Verein jedoch nicht die Möglichkeit, eine Aktiengesellschaft zu gründen. Man sieht ja schon am gescheitertem Fonds-Konzept, wie schwierig so etwas ist. Für den Zuschnitt dieses Vereins ist es schwierig, Leute zu Investitionen zu bewegen, die eher emotional mit dem Verein verbunden sind. Denen können sie nicht mit möglichen Renditen kommen.

Wir bleiben dabei: Das kann auch in die Hose gehen.

Es führt kein Weg daran vorbei, daß auch wir uns mit den grundlegenden kapitalistischen Marktregeln auseinandersetzen müssen, ohne auf den Bauch zu fallen. Wir müssen dort professioneller werden, wo es nötig ist, ohne daß wir das einbüßen, was den Verein bislang ausgezeichnet hat: Dinge werden auf dem kurzen Weg geregelt, der Kontakt ist enger.

Der zur Spitzengruppe in der zweiten Liga auch. Mit einem Sieg heute gegen Nürnberg winkt Platz drei.

Jetzt vom Aufstieg zu reden ist verfrüht. Ich freue mich ersteinmal, daß wir oben mit dabei sind.