Verzahnte Menschenmaschine

■ Schwer geschuftet: Susanne Linkes Choreographie „Ruhr-Ort“ in der Kampnagelfabrik

Plötzlich Stille. Eine Stille, in der der Lärm noch nachdröhnt. Maschinen hatten gekreischt. Männer geschwitzt. Und schwere Hämmer hatten auf blankem Metall gebrüllt, als müsse der Lärm allein genügen, um das Hallendach zu tragen.

Plötzlich Licht. Ein gleißendes, blendendes Licht, das in die Dunkelheit hinein explodiert. Lärm, Stille. Dunkel, Licht. Der Anfang von Susanne Linkes Tanztheater-Stück Ruhr-Ort ist mit dem Hammer choreographiert, dem Vorschlaghammer. Von den Arbeitsläufen der verschwindenden Montanindustrie des Ruhrgebiets hat sich die Meistertänzerin und Choreographin zu grellen Effekten inspirieren lassen. Abrupte Wechsel, heftige Kontraste. Da ist das Staunen über die Sinnlichkeit der alternden Schwerindustrie mitinszeniert.

Im Folgenden verwandelt Susanne Linke dann Arbeit in Tanz und zugleich Tanz in Arbeit. Sechs Tänzer in Arbeitskleidung und schweren Arbeitsschuhen – plus ein stets isoliert bleibender, knabenhafter einzelner – hetzen über die Bühne, als wollten sie alle Ackorde brechen. Bis zur tatsächlichen physischen Erschöpfung laufen sie – ganz Helden der Arbeit – zum Takt der Maschinen auf der Stelle. In einer Szene verwandelt sich die Truppe selbst in eine Maschine. Wie bei einer komplizierten mechanischen Einrichtung von Stangen und Rädern sind ihre Arm- und Rumpfbewegungen ineinander verzahnt.

Schwer geschuftet, richtig malocht wird auf der Bühne. Doch dem Zuschauer wird ganz leicht bei den Entdeckungen, die er machen kann. Denn Susanne Linke hat veraltete Arbeitsabläufe nicht einfach ästhetisiert. Aufgrund tänzerischer Stilisierung bleibt die Produktion stets transparent. Und was es alles zu sehen gibt! Keilereien. Derbe Zoten. Den Rhythmus der Arbeit. Körperhaftigkeit. Es ist eine schon seltsam ferne, gelegentlich fast archaisch wirkende Männergesellschaft, die hier entsteht.

Wie man hört, mußte Susanne Linke erst überredet werden, ihre bereits drei Jahre alte Produktion jetzt noch zu zeigen. Gut, daß es gelang. Denn natürlich paßt das Ganze nach Kampnagel, als sei es dafür gemacht. Der Bühnenraum der Halle 6 brauchte nur leergeräumt zu werden, und schon spielte die alte Kranfabrik, spielten ihre nackten Wände und die Metallkonstruktionen unter dem Dach selbstverständlich mit. Ein Stück über eine aussterbende Industrie auf einem ehemaligen Industriegelände. Ruhr-Ort ist auch so etwas wie eine Heimholung.

Noch ein Wort zu den Segnungen neuer Technik im Ticketverkauf? Seit die Kartenausgabe auf Computer umgestellt ist, dauert der Vorgang auf Kampnagel doppelt so lange. Tja ja. Dirk Knipphals

noch am 29., 30. Oktober, Halle 6, 20 Uhr