Öfter mal daneben gespuckt

■ Indie-Feelings mit Blumfeld, Tocotronic und den Störchen

Drei musizierende Anachronisten, die sich Tocotronic nennen und (natürlich) aus Hamburg stammen, eröffneten am Donnerstag das Blumfeld-Konzert in der Markthalle. Mit Hornbrille und Pilzkopf und im Vitamalz T-Shirt schrammelten sie unbedarft drauflos, was beim Publikum zunächst nur mitleidiges Gekicher auslöste. Später aber war das Auditorium froh, den Witz verstanden zu haben, und spendete reichlich Applaus. Tocotronic imitierten Rockstar-Posen, wanden sich unter Gitarren, sprangen a-rhythmisch auf und ab und erfreuten mit Zeilen wie „Gitarrenhändler, Ihr seid Schweine“ oder „Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk“. Sie gaben verzweifelt und gnadenlos vor, dilettantisch zu agieren, trotzdem konnten sie nicht verbergen, daß es sich hier um eine klasse Band handelt. Verunstalteter Schlager war das und das wollten wir hören.

Nicht so die Störche, die überhaupt nicht ins Konzept des Abends paßten und unmotiviert auf ihre Instrumente eindroschen – belanglos! Dann endlich vermochten Blumfeld, den von den Störchen geleerten Raum wieder bis aufs letzte zu füllen. Heiß und stickig war es, das machte aber fast nix, denn alle wähnten sich nun als quertreibende Insider bei einem Indiekonzert. Nur war das leider nicht so. Blumfeld haben inzwischen nämlich einen Popularitätsgrad erreicht, der ihr Grundkonzept ernstlich in Frage stellt. Ein so großer Saal, dazu noch in good old Hamburg – kein Wunder, daß vor allem Sänger Jochen Distelmeyer überaus nervös war, zudem sich bei der Hitze dauernd seine Gitarre verstimmte und er nach jedem Lied inmitten peinlichster Stille nachstimmen mußte. Seine Ansagen verliefen alle ähnlich eloquent: „Äh, also, äh... ähähähm. Das, äh, nächste Stück, äh, heißt soundso.“ Puh, geschafft. Aber zum Glück hat er ja eine Band, die munter drauflos jammen konnte sobald das letzte „äh“ verklungen war – und in solchen Momenten sind Blumfeld fraglos klasse. Schade nur, daß von den ja nun wirklich prima Texten Distelmeyers kaum etwas zu verstehen war inmitten der Schrammelmelodien. Der ständig neben sich spuckende Distelmeyer hatte außerdem das Problem, daß sich im Unterschied zu Blumfelds Platten die Songs live sehr ähnelten.

Trotzdem sind Blumfeld weiterhin eine der besten deutschen Bands, nur war eben dies Konzert nicht ganz so großartig, genauso wenig wie die auf den Tickets großkotzig angekündigte „aftershow-party im foyer“: Von wegen, dort wurden Getränke an schwitzende Menschen verkauft, mehr nicht!

Benjamin von Stuckrad-Barre