IKEA mit dem Kinderstempel ausgeräumt

■ Wie Jens H. das unmögliche Möbelhaus mit einem blöden Trick um 95.000 Mark betrog

„Als ich hinterher alles zusammengezählt habe, habe ich auch ganz schön mit den Ohren geschlackert.“ Einigermaßen zerknirscht guckt Jens H. zum Richtertisch. „Aber das ist ja alles so einfach gegangen.“ Das findet der Richter auch, und er hat Schwierigkeiten, sich ein leichtes Grinsen zu verkneifen. Jens H. steht vor Gericht, weil er IKEA betrogen hat. Zehnmal innerhalb von sechs Wochen, um insgesamt 95.000 Mark. Und der Mann brauchte nicht mehr als einen Kinderstempel, ein Faxgerät und gute Nerven. Den Rest besorgte das unmögliche Möbelhaus. Jens H.: „Die haben mir das richtig aufgedrängt.

Jens H. ist ein Opfer der Stahlkrise. Als die Bremer Klöckner-Hütte hunderte von Arbeitsplätzen abbaute, da traf es auch den 29jährigen Bremer. Ende Januar war sein letzter Arbeitstag, seitdem muß er sich mit 1.200 Mark Arbeitslosengeld durchschlagen. „Das hat vorne und hinten nicht gereicht.“ Zuerst hatte er noch Schrottautos aufgekauft, repariert und dann wieder verkauft, aber das Gewerbe brachte nichts ein – außer der Idee. Als er nämlich für seine Autoklitsche ganz legal bei IKEA ein paar Möbel kaufen wollte, da lernte er den IKEA-Firmenservice kennen: Ein Antrag, eine Unterschrift, und ruckzuck hatte er eine Kundennummer und Servicekarte. Der Vorteil: Man kann telefonisch oder per Fax direkt bestellen und zahlt später - auf Rechnung. Jens H.: „Die wollten nichmal die Firmenanmeldung sehen, und bei der Bankauskunft haben die auch nicht nachgefragt.“

Als das Autogeschäft nicht mehr lief, da kaufte er einen Kinderstempel. Das war die Geburtsstunde der Firma „MTK Warenhandelsgesellschaft“. Die stellte nun einen schriftlichen Antrag auf Firmenservice bei IKEA. Jens H. ging in das nächste Postamt und faxte den Antrag zu den Möbelhändlern. „Eine halbe Stunde später hatte ich eine Kundennummer.“ Und mit dieser Kundennummer faxte er seine Bestellungen gleich hinterher. Parkettholz, Möbel, Lampen, Wert: um die 8.000 Mark. Als er mit dem Kleinlaster vorfuhr, „da haben die sich noch nichtmal richtig meinen Personalausweis angeguckt.“

So ging es muntere sechs Wochen lang. Zehn Firmen hatte sich H. in der Zeit ausgedacht, immer dieselbe Masche, und nie gab es Probleme. Im Gegenteil. Auf den Bestellbögen für die Firmen war oben ein Limit angegeben, aber das hatte real keine Bedeutung. „Wenn ich mehr haben wollte, dann haben die mir eben einfach einen zweiten Bogen gegeben.“ Schon war das Limit verdoppelt. „Die haben mir solche Dinger richtig aufgeschwatzt.“

Blieb nur die Frage, wie er die Möbel am besten wieder loswerden konnte. Er mietete sich eine Garage in der Bremer Neustadt als Zwischenlager an und sprach Gäste in der Kneipe an, ob sie nicht Interesse an IKEA-Möbeln zum halben Preis hätten. Hatten wohl einige. Ein paar Stücke wurde er auch direkt auf dem IKEA-Parkplatz los: Wenn er im Möbelmarkt Leute beobachtete, die sich für Waren interessierten, die er auch im Sortiment hatte, „dann hab ich die auf dem Parkplatz angesprochen.“ Halber Preis, wer will dazu schon Nein sagen?

Irgendwann wurde der IKEA-Zentrale der Trick klar, zwei Detektive kamen H. auf die Spur. Sie fuhren ihm nach – bis zur Möbelgarage. Und da endete die Betrügerkarriere.

H. fand einen milden Richter: „Ihnen hat man es wirklich sehr leicht gemacht.“ Das Urteil: Ein Jahr Haft auf drei Jahre Bewährung, und den Schaden soll er wieder gutmachen. Jochen Grabler