Vorschlag

■ Tanz auf der Badewanne: „Tears break fast“ im Podewil

Mit einem, der Kokain schnupft, in Frauenkleidern herumläuft und eine Pistole im Handtäschchen herumträgt, kann es nur böse enden. Das ist im Film so und auf der Bühne. Am Ende der neuesten Tanztheater-Produktion von Sasha Waltz & Guests, „Tears break fast“, liegt die besagte Person ausgeraubt, mausetot und ganz allein auf dem Bühnenboden des Podewil. Nach der skurrilen Erforschung des Daseins in einer WG-Küche im vergangenen Jahr haben sich Sasha Waltz und ihre „Guests“ (inzwischen längst feste Kompaniemitglieder), dem Leben zwischen Bad und Bar zugewandt: Schrill geht es zu, komisch, explosiv und hocherotisch. Die Bar sowie die Wände und Regale sind aufs entzückendste mit weißem Flokati ausgeschlagen. Und weil der Kellner ein giftig blaues Rüschenhemd und eine rote Weste trägt, sind auch seine Getränke von ebensolcher Farbe. Es wird gesteppt, was das Zeug hält, die Körper werden in Tango-Manier ineinander verhakt oder man watschelt wie in besten Stummfilmzeiten über die Bühne. Die Bar ist aber nur die eine Seite der Geschichte. Hinter dem Flokati lauert das Bad. Wenn der Barkeeper langsam wegdreht, dann kriechen aus der Wanne die Ungeheuer: Kleine S/M-Monster mit zerrissenen Netzstrümpfen, Flügeln und Masken über den Köpfen, die nicht von ungefähr an Goya erinnern: Jaja, der Schlaf der Vernunft, nix gut.

Die Liebe zu Hollywood, zu Stars und Glitter hat voll zugeschlagen. Das war auch schon im Küchenstück „Twenty to eight“ so. Damals hieß es: „Wir wollten unsere eigenen Helden werden, so unperfekt und häßlich und zur selben Zeit so schön, wie wir nur sein konnten.“ Das wollte man jetzt vielleicht auch, aber leider ist dabei irgend etwas schiefgegangen. Während damals die gewöhnlichsten Handlungen wie Brotschneiden in einem heillosen Chaos mündeten und dabei ganze Paletten kleinlicher Charaktere mit sich rissen, gibt es jetzt nur Geschichten, wie der Film sie schrieb. Man bewegt sich auf der Oberfläche, zu eigenen Helden ist man nicht geworden. Der Versuch, mit Bad und Bar zusammenzubringen, was nicht zusammengehört, ist nicht geglückt. Die beiden Räume stehen bezugslos neben- bzw. hintereinander, und der Abend zerfällt in einzelne Nummern. Hätte man sich doch aufs Bad beschränkt! Was für ein Ort! Ein Ort, an dem die Leute die merkwürdigsten Dinge tun. Zum Beispiel Freunde empfangen, indem man selbst in der Wanne liegt und die Gäste dann auf dem (geschlossenen) Klo sitzend Tee trinken dürfen. Oder, oder, oder. Bei Sasha Waltz gibt es statt dessen einen Toten und eine Liebesszene, die es allerdings in sich hat.

Der Abend leidet an dem (verständlichen) Wunsch, an den atemberaubenden Erfolg „Twenty to eight“ anzuknüpfen. Und so gibt es keinen Mut zum Risiko: Anstatt sich Zeit zu lassen, soll das Publikum jede Minute gefesselt werden, und so was bekommt der Kunst bekanntlich gar nicht gut. Michaela Schlagenwerth

Heute, 2.-5.11., jeweils 20 Uhr, im Podewil, Klosterstr. 68-70, Mitte.