Glückliche Fachhochschule

Die Fachhochschulen wurden von Sparmaßnahmen verschont / Bald 25 Prozent der Berliner Studienplätze / Kultusminister fordern 40 Prozent  ■ Von Sabine am Orde

Wissenschaftssenator Manfred Erhardt schien optimistisch: „Never change a winning team“, so endete sein Statement über „das gelungenste Reformmodell der Nachkriegsbildungspolitik“ – die Fachhochschulen. „Während die Universitäten durch massenhafte Überlastung, schlechte Betreuungsrelationen, hohe Abbrecherquoten und überlange Studienzeiten in der Strukturkrise stecken“, so der CDU-Politiker auf einer Podiumsdiskusion anläßlich der Fachhochschulrektorenkonferenz in der vergangenen Woche, beruhe der Erfolg der Fachhochschulen auf ihrer doppelten Orientierung sowohl am Bedarf der Wirtschaft als auch an der Nachfrage nach einer praxisbezogenen Ausbildung. Erhardt weiter: „Der Wissenschaftsrat empfiehlt mit Zustimmung der Kultusministerkonferenz den Ausbau der Fachhochschulen von 25 Prozent auf 40 Prozent der Studienanfängerplätze im Hochschulbereich.“

Davon ist Berlin jedoch noch weit entfernt. Und auch das Ziel ist hierzulande niedriger gesteckt: Nach dem Hochschulstrukturplan, den Erhardt im August 1993 veröffentlichte, sollen zukünftig ein Viertel aller Berliner Studierenden mit ihrem Studium an Fachhochschulen beginnen. 1991 waren es nur 16 Prozent und damit 8 Prozent weniger als im Bundesdurchschnitt. Die Fachhochschulen wurden deshalb von den drastischen Kürzungen des Hochschulstrukturplans verschont.

Dieser anvisierte prozentuale Anstieg ist heute fast umgesetzt und geht vor allem auf das Konto der im Oktober 1991 gegründeten Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW). Sie beerbte als Rechtsnachfolgerin die Ingenieurhochschule Berlin, die früher in der Lichtenberger Marktstraße residierte. Für dieses Semester sind an den beiden Standorten der FHTW bereits über 4.300 StudentInnen eingeschrieben. In den kommenden drei bis vier Jahren soll sich, so FHTW-Sprecherin Christel Dallman, die Anzahl der Studierenden mehr als verdoppeln und die Hochschule damit ausgelastet sein.

Ganz in der Nachbarschaft ist ebenfalls im Oktober 1991 die Katholische Fachhochschule mit 600 Studienplätzen im Bereich Sozialarbeit/Sozialpädagogik gegründet worden, die vom Senat mitfinanziert wird. Damit sei, so Monika Grütters, Pressesprecherin des Wissenschaftssenators, zumindest was die Finanzierung angeht, der 25-Prozent-Anteil der Fachhochschulen an den Aufnahmekapazitäten der Hochschulen bereits erreicht. Ein weiterer Ausbau sei nicht vorgesehen. Von diesem Erfolg halten KritikerInnen wenig. „Von einem Ausbau der Fachhochschulen kann nicht die Rede sein“, urteilt Sybille Volkholz, hochschulpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen. „Die FHTW ist lediglich nicht abgewickelt worden.“ Mit den „leeren Worten“ vom Fachhochschulausbau, so Volkholz weiter, solle von dem drastischen Abbau der Studienplätze an den Universitäten abgelenkt werden. So mußte die Humboldt-Uni kräftig abspecken, an der FU, der TU und der Hochschule der Künste sollen nach dem Hochschulstrukturplan bis zum Jahre 2003 insgesamt 15.000 Studienplätze gestrichen werden. Durch diesen Abbau an den Universitäten steigt der prozentuale Anteil der Fachhochschulplätze.

Die Bündnisgrünen befürworten eine „wirkliche Kapazitätserweiterung“ der Fachhochschulen, jedoch nicht auf Kosten der Universitäten. Das Fächerspektrum an den Fachhochschulen reicht nach Ansicht ihrer hochschulpolitischen Sprecherin nicht aus. Denn Hochschulbildung sei eben nicht nur die Ausbildung für einen Beruf: „Auch Persönlichkeitsbildung gehört dazu, und diesen Anspruch wollen wir nicht reduzieren.“

Auch Christine Labonte-Roset, Rektorin der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (FHSS), sieht in erster Linie eine verbale Aufwertung der Fachhochschulen. Zwar habe der Senat die Fachhochschulen von den großen Kürzungen verschont, „aber faktisch dürfte sich für uns nichts ändern“. Noch immer habe die FHSS pro Studienplatz acht bis zehn BewerberInnen und damit einen sehr strikten Numerus clausus. Außerdem gehe der Sparhaushalt 95/96 auch an den Fachhochschulen nicht vorbei.

Ihre StudentInnen gehen mit der Kritik einen Schritt weiter: Ein Gegeneinander-Ausspielen von Fachhochschulen und Universitäten sieht Marcus Stein vom Allgemeinen StudentInnen-Ausschuß der FHSS in Erhardts Politik. Claudia Nolting vermutet, daß dafür der Kostenaspekt entscheidend sei: „Fachhochschulen sind billiger, weil die Professoren billiger sind. Außerdem wird hier das Studium schneller absolviert.“