piwik no script img

■ Kaindl-Prozeß geplatztU-Haft beenden

Gestern wurde der zweite Haftbefehl im Fall Kaindl aufgehoben. Bei der ersten Haftentlassung am vergangenen Dienstag konnte man sich noch wundern, unter welchen Umständen die U-Haft für Abidin E. beendet wurde. Noch bevor die Verteidigung einen Staatsschutzbeamten über die Umstände befragen konnte, unter denen seinerzeit die Aussagen der beiden Belastungszeugen zustande gekommen waren, unterbrach die Richterin die Sitzung und schickte Abidin E. nach Hause. Der Auftritt des Staatsschützers, so stand wohl zu befürchten, hätte womöglich zur Folge gehabt, noch an diesem Tag alle Tatverdächtigen entlassen zu müssen. Nicht mehr wegen Mordes wird schließlich verhandelt, sondern wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge. Die neuerliche Haftentlassung noch vor dem nächsten Prozeßtermin ist nicht nur ein Eingeständnis der Richterin, daß die Anklage und damit dieser Prozeß längst schon geplatzt ist. Sie ist auch ein Indiz dafür, daß es der Staatsanwaltschaft und dem Staatsschutz nicht vorrangig darum gegangen war, die tatsächlichen Umstände der Tötung von Gerhard Kaindl zu klären, sondern eine ganze Gruppe von ausländischen Jugendlichen in Kollektivhaft zu nehmen. Deshalb sollten umgehend alle noch Inhaftierten aus der U-Haft entlassen werden. Mehr noch: Wenn die Vorsitzende Richterin während des nächsten Verhandlungstermins den Mut haben sollte, weitere Konsequenzen aus dem juristischen Debakel der Ermittlungsbehörden zu ziehen, sollte sie, falls sie nicht ohnehin freispricht, Mittel und Wege finden, die Angeklagten für die elf Monate dauernde Untersuchungshaft wenigstens materiell zu entschädigen. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen