Sind Heidelbergs Dreamboys prüde?

In der Universitätsstadt gibt es seit 14 Jahren eine Männertanzgruppe / Die sportiven Akademiker tanzen für Scheine und aus Spaß am Körper – aber ohne erotische Ambitionen, sagen sie  ■ Von Sonja Striegl

„Fünf, sechs, sieben, acht uuund...“ – zwanzig junge Männer setzen sich auf Kommando in Bewegung, fegen zum Rhythmus aus der Lautsprecherbox übers Parkett. Zwei Schritte links, zwei Schritte rechts, Drehung, Becken vor. Sigrid Adam zeigt ihnen, wie's geht. Die Sportstudenten tanzen gewissermaßen nach ihrer Pfeife – wobei das Tanzen stimmt, nicht aber die Pfeife. Sportdozentin Adam braucht keinen schrillen Triller, um ihre Tänzer zu disziplinieren. „Die Jungs sind von sich aus motiviert.“ Sie haben schließlich eine Menge Spaß – wenn die Füße ausnahmsweise durcheinandergeraten, wenn der Nachbar auf Socken über den Boden schlittert, oder wenn die neue Bewegung eigentlich ganz anders geplant war.

Während die Kommilitonen schon ins Wochenende starten, mustern sie sich am Freitag nachmittag selbstkritisch im Spiegel und nehmen konzentriert wieder Stellung auf. Die tanzenden Studenten von Heidelberg sind einmalig. Eine Männertanzshowgruppe wie in Heidelberg gibt es an keiner anderen Universität. „Wir wollen keinen nachgemachten Frauentanz in Ballettkleidchen und auch keine halb-pornographischen Animationstänze“, stellt Matthias Bechtel klar. Der 27jährige tanzte während des ganzen Studiums.

Tanzende Männer sind eine Seltenheit. Das ärgerte die Sportpädagogin Sigrid Adam. „Tanzen für Frauen, das ist Pflicht im Studium. Tanzen für Männer – kein Thema.“ Vor 14 Jahren rief sie daher ein Männerprojekt ins Leben. Mann kann hier zwar tanzend den obligatorischen Wahlfachschein erwerben, aber die meisten bleiben, auch wenn sie den Schein in der Tasche haben. Tanzen als Freizeitspaß.

„Anfangs ist es der Reiz, einfach dabei zu sein. Dann kommt die Lust an den Bewegungen, am Tanzen, am eigenen Körper, und dann macht man weiter.“ Roland Schrimpf, seit acht Semestern Tänzer, rückt die Männerfreundschaft als erstes Tanzmotiv in den Vordergrund. Frank Schillinger tanzt seit fünf Semestern. „Wir sind keine bloße Interessengemeinschaft. Viele haben hier ihren Freundeskreis. Nach dem Training treffen wir uns – beispielsweise zum Fußballspielen.“ Und außerdem geht es demokratisch zu. Die Jungs suchen die Musik selbst aus – „It's raining men“ und „Just a Gigolo“ – und erarbeiten in Kleingruppen, wie ein Tanz mit neuen Elementen aufgepeppt werden könnte.

Und dann sind da noch die Auftritte. Höhepunkt nicht nur am Ende des Semesters. Da werden Nachtschichten eingelegt. Außerhalb des regelmäßigen Trainings am Freitag nachmittag kann nämlich nur von zehn bis Mitternacht geübt werden. Die Mühe scheint zu lohnen. Johlende, ohnmachtnahe Frauen, neidische Männer – wenn das kein Grund zum Weitertanzen ist.