OVG für autogerechte Stadt

■ Baustaatsrat Lüthge: Oberverwaltungsgericht will dem Senat die Verkehrspolitik klauen / Warum nicht gleich die Mozartrasse?

Der Bremer Baustsaatsrat Jürgen Lüthge macht Rabatz, und zwar gegen das Oberverwaltungsgericht. Das hatte in der vorletzten Woche einen Beschluß zur Verkehrsbelastung in der Stader Straße veröffentlicht. Darin hatten die Richter die Verkehrspolitik des Senats beim Bau der Erdbeeerbrücke in den 60er Jahren und in dessen Folge heftig kritisiert. Daß die Trasse auf der rechten Weserseite nicht weitergeführt und damit die Stader Straße belastet worden sei, das sei eine „Halbplanung“, hatten die Richter geschrieben. Die müßte schleunigst vollendet werden. Genau das ist der Rechtsstandpunkt, der Lüthge auf die Palme bringt. Die Richter versuchten, dem Senat die Verkehrspolitik zu klauen, nach Lüthge ein Eingriff in die Gewaltenteilung. „Wenn das Schule macht, dann haben wir hier ganz schnell die autogerechte Stadt.“

Seit dem Beschluß tobt nun der Kampf im politischen Raum, ob nach dieser Entscheidung nun schleunigst die Georg-Bitter-Trasse in Verlängerung der Erdbeerbrücke gebaut werden soll. Genau das hatten die Richter nahegelegt. Und genau damit haben sie ihre Kompetenzen weit überschritten, meint Lütghge. Das Gericht mischt sich in die Verkehrspolitik ein, statt sich auf einen Einzelfall zu beschränken. „Das Gericht sollte sich mit der Stader Straße beschäftigen, stattdessen macht es ohne Not Aussagen zur Georg-Bitter Trasse.“

Lüthge befürchtet vor allem eines: Wenn die Argumentation, die die Richter in dem Beschluß angedeutet haben, nun auch in ihrem Urteil übernommen wird, dann würde das gigantische Straßenbaumaßnahmen nach sich ziehen. Das Gericht argumentiert mit dem Begriff der „Halbplanung“, im Flächennutzungsplan sei die Georg-Bitter-Trasse schließlich noch immer ausgewiesen. „Der Flächennutzungsplan ist doch nicht die Bibel“, sagt der Baustaatsrat dagegen. „Das ist ein Ausdruck lebendiger Planung. Und die Entscheidung darüber ist immer eine politische Entscheidung.“ In der Stadt wimmele es von „Halbplanungen“ in der Definition der OVG-Richter. Der Flächennutzungsplan sei 1983 zum letztenmal geändert worden. Darin seien noch einige Projekte verzeichnet, von der sich die Politik aus guten Gründen verabschiedet habe. Der Autobahnzubringer durch das Hollerland sei beispielsweise auch noch ausgewiesen. Der wurde 1985 gestoppt. Und wer wolle ernsthaft gegen den „Schröder-Ring“ durch den Bürgerpark argumentieren? Lüthge: „Auch so eine Halbplanung. Wieso soll der Schwachhauser Ring auf der Parkallee enden?“ Ganz zu schweigen von der Hochstraße am Breitenweg, die plötzlich auf dem Rembertiring ende. Lüthge: „Da fehlt die Mozarttrasse.“ Und seit 1983 sei die Neuenlander Strraße als Autobahn ausgewiesen.

Die Realisierung all diese Projekte könnte nun eingeklagt werden, wenn die Definition der OVG-Richter überall gelten solle. „Das ist die Ideologie des ,Lückenschluß im Straßennetz'. Damit durchlöchern wir die Stadt.“ Das Gericht argumentiere auf der Basis des Flächennutzungsplans, „aber auf die Umsetzung dieses Plans hat niemand einen Rechtsanspruch. Der ist nichts mehr als eine planerische Willenserklärung.“

Lüthge will nun auf breiter politischer Front gegen die OVG-Richter kämpfen. In einem Brief an alle Senatsressorts hat er um Unterstützung gebeten, seinen Kollegen in der Staatsräterunde hat er ausführlich seine Rechtsauffassung erklärt und direkte Unterstützung aus dem Justizressort erhalten. Lüthge: „Da geht es um's Ganze. Wer das akzeptiert, der kann sich aus der Verkehrspolitik verabschieden.“

Gegen die Georg-Bitter-Trase haben sich inzwischen auch der BUND und der „Verein Hastedt und umzu e.V.“ gewandt. Der BUND warne davor, den „Zwischenbericht des OVG fehlzuinterpretieren und vorschnell den sofortigen Bau der Georg-Bitter-Trasse zu fordern.“ Vielmehr sollten die Behörden prüfen, wie der Verkehr insgesamt vermindert werden könne. Auch der Verein „Hastedt und umzu“ befürchtet beim Bau der Trasse zusätzliche Verkehrsströme und eine Verlagerung der Staus. Gefordert sei statt dessen Verkehrslenkung und eine Verbesserung des ÖPNV. J.G.