■ Was passiert eigentlich mit beschlagnahmten Sargnägeln?
: Zigaretten zu Dünger!

Augsburg (taz) – Knapp eine Milliarde geschmuggelter Zigaretten haben die Zollbehörden vergangenes Jahr beschlagnahmt. 1994 ist die Milliardengrenze schon längst überschritten. Aber was passiert eigentlicht mit dem gewaltigen Zigarettenberg, der da täglich wächst. Paffen etwa die Zöllner das Zeug weg?

Ende letzter Woche schlug die Polizei in Augsburg zu: 19.000 Stangen Zigaretten wurden beschlagnahmt, sechs Schmuggler verhaftet. Während die Tabakschmuggler in den Knast wanderten, ging beim Zoll das große Stöhnen los angesichts der neuen Ladung Glimmstengel. Wohin mit dem Zeug? lautet die Preisfrage. Früher, als noch nicht in diesen wahnsinnigen Größenordnungen verschoben wurde, war es relativ einfach. „Wir haben die Zigaretten caritativen Einrichtungen, wie beispielsweise Altenheimen, zur Verfügung gestellt“, berichtet der Grenz- und Zollreferent der Oberfinanzdirektion München (OFD), Wilhelm Bruns, ganz ohne schlechtes Gewissen. „Doch das ist mittlerweile nicht mehr möglich, weil sich die Zigarettenindustrie vehement dagegen wehrt.“ Auch Greise kaufen noch Sargnägel.

Verbrennen, sagt Bruns, könne man diese Mengen auch nicht mehr. Umweltschutzgründe sprächen aus leicht einsichtigen Gründen dagegen. Also ist man beim Münchner Zoll auf die Suche nach einer Alternative gegangen.

Fündig wurde man in der Nähe von Berlin. Dort gibt es eine Spezialkompostieranlage für Schmuggelzigaretten. Motto: Zigaretten zu Dünger! Hunderte von LKWs bringen aus ganz Deutschland die konfiszierten Zigaretten zu dieser Anlage. Was aber, wenn das die Schmuggler spitzkriegen und die Transporte mit beschlagnahmter Schmuggelware überfallen? „Diese Transporte werden gut bewacht und sie fahren in unregelmäßigen Abständen“, sagt Zollspezialist Bruns. Denn mit dem Entsorgungsweg „selbst rauchen“ geht natürlich beim Zoll nichts, versichert der Pressesprecher der OFD.

Das Schmuggelgeschäft, ganz offensichtlich von organisierten Banden in Italien und den Ländern des ehemaligen Ostblocks bestens organisiert, blüht mehr denn je. Vergangenes Jahr wurde ein Steuerschaden von 228 Millionen Mark in der EU nur durch den Zigarettenschmuggel verursacht. Die Drahtzieher im Hintergrund, sagte vor einer Woche der Vorsitzende Richter der Stuttgarter Wirtschaftsstrafkammer in einem Verfahren gegen zwei Transportunternehmer, würden so gut wie nie gefaßt.

Die Spediteure und Fahrer hingegen sind, wenn sie erwischt werden, für den Rest ihres Lebens ruiniert. Am Beispiel der beiden verurteilten Fuhrunternehmer aus Biberach und Singen sowie sechs Fahrern wird dies besonders deutlich. Zunächst wandern sie fünf Jahre und neun Monate, beziehungsweise sechs Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Nach ihrer Entlassung drückt sie nicht nur ein fünfjähriges Berufsverbot, sondern auch noch die gesamte Steuerschuld der nachgewiesenen Schmuggelfahrten, und das sind insgesamt 53 Millionen Mark. Auch auf die Fahrer kommen Millionenforderungen des Fiskus zu. Dabei hatten die Firmenchefs für Vermittlung und Transport gerade einmal 26.000 Mark bekommen, die Fahrer viel weniger.

Um den Drahtziehern doch noch auf die Schliche zu kommen, wurden die Ermittlungen zwischenzeitlich in Köln beim Zollkriminalamt konzentriert. Die Polizei setzt bei der Fahndung hochmoderne Elektronik ein – das tun jedoch auch die Schmuggler. Mit Satellitentelefon und elektronischem Ortungssystem ausgerüstet zeigen sie den Ermittlern immer wieder eine lange Nase. Klaus Wittmann