■ Press-Schlag
: Wenn Torhüter zu oft fremdgehen

Der alte Spruch ging ja, daß es in einer Fußballmannschaft immer zwei Verrückte gebe, nämlich den Torhüter und den Linksaußen. Seit der klassische Kreidefresser im modernen Spielsystem mit nur mehr zwei Spitzen und bestenfalls offensiven Außenverteidigern ausgestorben ist, müssen sich die Torsteher reichlich allein fühlen. Ohne Gesellschaft in der vereinseigenen Gummizelle kommen sie in letzter Zeit vermehrt auf dumme Gedanken und brechen vor allem in den letzten Minuten gerne aus der eigenen verwaisten Hälfte in den gegnerischen Strafraum auf, um ihren Mannschaftskollegen, die sich dort gegen die drohende Niederlage stemmen, Gesellschaft zu leisten. Der Mensch ist eben doch ein Herdentier.

So begab es sich am elften Spieltag der Bundesliga, daß Bodo Illgner, der exkommunizierte Nationalkeeper und Hüter des 1.FC Köln, in Freiburg in der allerletzten Minute versuchte, aufs gegnerische Tor zu köpfen. Allein, es mißlang und Spies schob ins verlassene Kölner Tor.

Erfolgreicher war statt dessen der Verrückte von den Schalker Knappen, bei denen es davon unzweifelhaft ja mehrere gibt, was dazu führte, daß es Jens Lehmann nicht bei einzelnen Ausflügen beließ, sondern sich gleich minutenlang im Bayer- Strafraum rumtrieb. Er stemmte sich so erfolgreich gegen das, was die elfte Niederlage des S 04 am Stück in Leverkusen gewesen wäre, daß er dabei Jens Melzig foulte, der den Ball nur ungenügend abwehren konnte und Thomas Linke traf. Lehmann hatte noch gebetet, daß ihn der Schütze nicht anschieße, und Trainer Jörg Berger behauptete, er hätte nicht zum ersten Mal einen Torhüter so ausführlich fremdgehen gesehen: „Im Eishockey schon.“

In Österreich sind sie einen Schritt weiter. Dort erzielte eben jener Otto Konrad, der gegen den AC Mailand noch eine Flasche gegen den Kopf bekommen hatte, mit exakt diesem Körperteil für Casino Salzburg den Ausgleich gegen Linz. Und während die deutschen Keeper nachher stolz wie Bolle ihren eigenen Mut bewundern, nahm es Konrad ganz gelassen: „Solche Tore mache ich unter der Woche zweimal.“

Und noch ein Torhüter treibt sich wo rum, wo er eigentlich nicht sollte. Und das nicht mal auf dem Spielfeld. Jürgen Rollmann, zum Sündenbock verklärter Torsteher des MSV Duisburg, verschaffte sich per einstweiliger Verfügung Zugang ins Wedau-Stadion für das sonntägliche Spiel gegen den HSV. Sollte der MSV das Stadionverbot durchsetzen, droht dem Bundesliga-Schlußlicht ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 Mark. Warum Rollmann sich aber ausgerechnet das bescheidene Gekicke seiner Ex-Kollegen betrachten will und nicht besser seine Saisonkarte gegen eine von Borussia Dortmund tauscht, bleibt unergründlich. Aber er ist ja nun ein ganz besonders einsamer Verrückter. to