piwik no script img

Des Forschungsministers atomare Erfolgsstory

■ Wo das AKW Niederaichbach zum Debakel wurde, sollen wieder Blumen blühen

Berlin (taz) – Paul Krüger, der Noch-Forschungsminister in Bonn, feiert das Ereignis als Spitzenleistung des Technologie- Standorts Deutschland: In einem Jahr sollen dort, wo vor zwanzig Jahren der 100-Megawatt-Atomreaktor Niederaichbach Radioaktivität und ein bißchen Strom produzierte, wieder glückliche Kühe weiden. Die „europaweite“ Premiere eines solchen „Rückbau- Projekts“ beweise, „daß auch dieser Teil des Lebenszyklus eines Kernkraftwerkes problemlos bewältigt werden kann“. Im übrigen schaffe das Vorhaben „Erfahrungen für ähnliche Projekte in West- und Osteuropa sowie weltweit“.

Doch so ist es nicht. Das Kernkraftwerk Niederaichbach (KKN) unweit von Landshut, ein schwerwassermoderierter Druckröhrenreaktor, gehört zur langen Reihe der gescheiterten Atomprojekte. Als der Meiler 1972 den Probebetrieb aufnahm, war das Reaktorkonzept bereits überholt. Nachfolgemodelle mit dieser Technik hat es in Deutschland nie gegeben. Nach anderthalbjährigem Probebetrieb und ständigen Störungen wurde KKN abgeschaltet und hatte bis dahin das Äquivalent von ganzen 18,3 Vollasttagen Strom produziert.

1974 wurde der Meiler eingemottet, ab 1987 war statt Abbau zunächst Aufbau angesagt: Die Abrißingenieure konstruierten eine moderne Lüftungsanlage, eine Materialschleuse zwischen Sicherheitsbehälter und Maschinenhaus, ein „Zusatzcontainment“ für die Demontage des Reaktorkerns, eine Übergabestation zur „externen Entsorgung“ der strahlenden Abfälle und viele Anlagen mehr.

Die Zerlegung des Reaktors erforderte zudem neue Fernbedienungstechnik. Allein acht Jahre benötigte man, bis die Trennschleifer, Fräsen, Plasmabrenner und Greifarme funktionierten. Im Sommer 1994 schließlich war die Demontage der radioaktiven Innereien des Kraftwerks abgeschlossen. Am Ende brüsteten sich die Projektverantwortlichen, daß nur ein Prozent der 130.000 Tonnen Schrott und Bauschutt zur nuklearen Endlagerung vorgesehen sei. Der Rest werde wiederverwendet oder „konventionell entsorgt“.

Übertragbar auf jahrzehntelang kommerziell betriebene Atommeiler ist kaum etwas von den Erfahrungen aus Niederbayern. Denn Niederaichbach hat mit einem richtigen AKW etwa soviel gemein wie ein Chemiebaukasten mit der Firma Hoechst. Ein AKW der Biblis-Klasse (1.300 Megawatt) strahlt noch 20 Jahre nach der Stillegung 300mal stärker als die Technikruine von Niederaichbach nach ihrem Kurzbetrieb.

Bau und Inbetriebnahme des bayerischen AKW kosteten 232 Millionen Mark. Die Schätzungen für den Abriß liegen derzeit bei 280 Millionen. Zwischen grüner Wiese 1966 (Baubeginn) und grüner Wiese 1995 (projektierter Abschluß der Demontage) lagen 18,3 Tage Vollastbetrieb. Diese Erfolgsstory demonstriert, schreibt Forschungsminister Krüger, „daß eine verantwortungsvolle und sichere Nutzung der Kernkraft gewährleistet ist“. Herzlichen Glückwunsch. Gerd Rosenkranz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen