■ Der rechtspolitische Sprecher der CSU/CSU-Fraktion Norbert Geis möchte Stones „Natural Born Killers“ verbieten
: Travestie des Waffenfetischismus

Seit September läuft Patrice Chéreaus „Die Bartholomäusnacht“ in den Kinos, nicht unbedingt ein erbauliches Werk: Gezeigt wird ein Massaker an 6.000 Menschen. Spieße durchbohren Leiber, es kommt zu Vergewaltigungen. Klaffende Wunden und abgeschnittene Köpfe sind zu sehen. Zartbesaitete ZuschauerInnen verlassen das Theater vorzeitig. Ansonsten gab es keine nennenswerten Proteste. Die CDU/ CSU-Fraktion schwieg still. „Die Bartholomäusnacht“ spielt 1572, hat ergo mit unserer Gegenwart nicht viel zu tun. Und Regisseur Chéreau inszenierte vordem immerhin in Bayreuth.

In Oliver Stones „Natural Born Killers“ gibt es gerade mal 52 Tote. Aber diese Zahl wird selbst vom kleinsten Anzeigenblatt kolportiert. Beflissen fordert Norbert Geis, rechtspolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion, das Verbot des Films, und Burkhard Hirsch (FDP) giftet in Richtung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Neuerlich wird der Überbringer der Botschaft geprügelt, nicht der Verursacher: Stone travestiert, was in der Realität schon abstrus genug ist – den Waffenfetischismus seiner Landsleute beispielsweise, der sogar religiöse Züge annehmen kann. Die Idolisierung von Serienmördern wie Jeffrey Dahmer; die Apotheose des Terrorideologen Charles Manson. Ihrer Hyperdevianz wegen eignen sie sich bestens als T-Shirt-Ikonen, die Rebellion der TrägerInnen beschränkt sich auf modische Accessoires. Stone nimmt dieses Phänomen hohnlachend auf die Schippe.

Vor allem aber zielte er auf die Medien – vor zwei Jahren, als Idee und Drehbuch entwickelt wurden. Doch Visionen verfallen schnell in diesen Tagen; die jüngste Entwicklung hat den Film überholt, und so mutet wie eine resignative Fußnote an, wenn Stone am Schluß den Bezug herstellt zu spektakulären Medienexzessen wie Waco, O.J. Simpson, Bobbitt etc.

In dem Film parodiert der Schauspieler Robert Downey Jr. gekonnt den US-amerikanischen Sensationsreporter und Talk-Show-Gastgeber Geraldo Rivera, der in seinen Sendungen beispielsweise die Opfer von Gewaltverbrechen ohne Vorwarnung mit den Tätern konfrontiert. Auch hierzulande – wir erinnern uns an Gladbeck, den Kölner Kindermord – sind die Hemmschwellen der TV-Produzenten merklich gesunken.

Der Haussender derjenigen, die ausgerechnet einen Kinofilm verbieten möchten, in dem derartige Praktiken angeprangert werden, heißt bekanntlich Sat.1. Ebendieser liefert gelegentlich Indizien dafür, was passiert, wenn Verbote und Zensurmaßnahmen zur Regel werden. So fehlte in der gekürzten Fassung des Spielfilms „Internal Affairs“ nicht etwa die Szene, in der eine Gewehrkugel die Brust eines Mannes aufreißt, dafür aber ein essentieller Teil der Schlußsequenz, in der der Held seinen bereits angeschossenen Widersacher mit Vorsatz regelrecht hinrichtet. Der Held ist Polizist.

Polanskis „Chinatown“ war bei der Sat.1.-Ausstrahlung um eine der Gewaltverherrlichung gänzlich unverdächtige Einstellung gekürzt, in der Jack Nicholson folgende Sätze spricht: „Ich sag' dir dein ungeschriebenes Gesetz, du dämlicher Hurensohn, du mußt reich sein, wenn du jemanden umbringst, nur dann straft dich keiner. Meinst du, du hast die Kohle dazu, meinst du, du gehörst zu denen?“

Ein Schelm, wer Arges dabei denkt? Harald Keller