Killer-Keime aus Kompost?

■ Laub-Rotte in Sasel stinkt den AnwohnerInnen gewaltig / Notizen aus der Provinz Von Marco Carini

Die größten Gefahren lauern, wo wir sie am wenigsten vermuten. So fragt die Schlagzeile: „Sind Komposthaufen tödlich?“ Und weiter geht's im Text: „Milliarden von Pilzsporen. Wer sie einatmet, kann ein Todeskandidat werden. Wie viele würde es noch erwischen?“

Nein: keine Science-Fiction und auch kein Nonsens aus Hamburgs größter Boulevard-Zeitung. Das Zitat stammt aus dem „Alstertal-Magazin“. Das Thema: Die von der Laub-Kompostanlage Sasel ausgehenden Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung in Hamburgs hohem Norden.

Die skurrilen Notizen aus der Hamburger Provinz wären nicht weiter bemerkenswert, spiegelten sie nicht die Stimmung vieler AnwohnerInnen von Hamburgs erster in Regie der Stadtreinigung betriebenen Kompostanlage wider. Gegen das seit Dezember 1993 arbeitende Kompostwerk am Volksdorfer Weg, in dem jährlich 4500 Tonnen Grünabfälle verrotten sollen, laufen viele AnliegerInnen Sturm. Einige von ihnen strengten jetzt eine Klage vor dem Hamburger Verwaltungsgericht an, um der Laub-Rotte den Garaus zu machen.

Die AnwohnerInnen nervt vor allem der Zusatz-Verkehr durch Kompost-AnlieferInnen und die vom Kompostwerk ausgehende Geruchsbelästigung. Rolf Müller, Sprecher der „Bürgerinitiative gegen das Kompostwerk Sasel“: „Obwohl ich 400 Meter von der Anlage entfernt wohne, muß ich bei Südwind die Fenster schließen.“ Besonders groß aber ist die Angst vor Schimmelpilzsporen, die vor allem AllergikerInnen undd AsthmatikerInnen gefährlich werden können.

Die Bürgerinitiative heizte mit der Frage: „Wann stirbt der erste von uns in Sasel?“ die Angst unter den Kompost-NachbarInnen noch kräftig an. Wissenschaftler, wie der Direktor des Instituts für Hygiene an der Freien Universität Berlin, Henning Rüden, hingegen beruhigen: Es gebe keinen „einzigen wissenschaftlich nachvollziehbaren“ Todesfall durch Killer-Keime aus dem Kompost.

Aufgrund der Geruchsbelästigung gelang es allerdings einigen AnwohnerInnen im Frühjahr, durch eine erste Verwaltungsgerichts-Klage für drei Monate die Verarbeitung angelieferter Grünabfälle zu stoppen. Die Stadtreinigung veränderte danach die Zusammensetzung des Bio-Mülls und auch die Kompostierungstechnik. Stadtreinigungs-Sprecher Roh–wedder: „Jetzt stinkt's nicht mehr.“

Die Saseler Bürgerinitiative aber fordert weiterhin, die Open-Air-Anlage zu „überdachen oder zu schließen“. Die GAL Wandsbek dagegen befürchtet vor allem, daß der Volksdorfer Kompost-Knatsch Stimmung gegen das Kompost-Programm der Hansestadt aufkommen lassen und den VerbrennungsbefürworterInnen in die Hände spielen könnte. Sie fordert wissenschaftliche Begleitprogramme, damit die „biologischen Risiken endlich realistisch eingeschätzt“ werden können.