Spießer auf dem Spieß

■ Jungferngesteuerte Miniaturen von Michael Augustin

„Koslowski gehört zu den ganz wenigen Menschen, die durch Jungfernzeugung entstanden sind,“ log Michael Augustin, geistige Mutter und körperlicher Schöpfer Koslowskis, in seinem letzten Buch. Bekanntlich haben Lügen lange Beine, und so legte Autor Augustin nach: Ende November erscheint bei Temmen sein neues Opus „Klein-Klein“, eine Sammlung aus Dramoletten, Prosagedichten und anderen Miniaturen. Freilich wieder mit Kreaturen wie Koslowski, der übers Ehebett strauchelnd zur Prosa gelangt und nur deswegen eine so gute Laune versprüht, weil er längst resigniert hat. Was soll man auch machen, wenn man sich unter größten Anstrengungen endlich in die erste Reihe der anonymen Saufbolde getrunken hat, dann aber, wenn Kameras zu diesem deinem Ruhme anlaufen, deine Stimme versagt und nicht einmal ein schlichtes „Prost“ über die Lippen bringt? Oder wenn sich der ewige Zotenreißer in der Kneipe nebenan plötzlich als der Heilige Geist zu erkennen gibt, willst du da etwa Mensch sein? Auch Herr Munzel (siehe oben) ist so ein Unglückswurm, eine originale Ausgeburt von Klein-Klein: Er zeichnet bei einem guten Glas Wein seine Wegstrecke bis zum Lebensabend auf den Küchentisch. „Ein gewissermaßen schnurgerader, wie mit einem Lineal gezogener Lebensweg, der ohne nennenswerte Umschweife direkt von A nach B geführt hatte. Aber was zum Teufel wollte er da eigentlich?“

Eine überflüssige Frage für die, die der Weg am ersten Dezember um 20 Uhr in die Hunboldt-Buchhandlung führt, wo sie zweifellos dasselbe Schicksal ereilt wie den Autor Augustin: „Seit dem Erscheinen seines kleinen Gedichtbandes ließ ihn das Gefühl nicht los, daß die gesamte bisher veröffentlichte Literatur dieser Welt zu einer Art Fußnote geschrumpft war. Zu einer zwar willkommenen, aber im Grunde eher überflüssigen Ergänzung jener sechsunddreißig Druckseiten, die jeder, der es nur wollte, zum Preise von gerade mal eben neun Mark achtzig erwerben konnte.“ dah