Berlin will Geld von V-Mann zurück

■ Die Finanzverwaltung hat den Verfassungsschutzagenten Weingraber auf Rückzahlung von 450.000 Mark verklagt

Manche Affären enden als theaterreife Komödie. Eine solche Aufführung ist am 10. November vor dem Zivilgerichtshof in Florenz zu erleben. Drei Jahre nachdem die Akten im Fall Schmücker endgültig geschlossen wurden, fordert das Land vom ehemaligen V-Mann Volker Weingraber Edler von Grodek 450.000 Mark zurück. Diese Summe hatte der heute 51jährige vom Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) 1986 erhalten, um sich im italienischen Untergrund eine neue Existenz aufzubauen.

Der Prozeß wird nicht nur in der Senatsverwaltung für Finanzen – die stellvertretend für das Land klagt – mit Spannung entgegengesehen. Schließlich ist es das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, daß ein Ex-Agent von seinen früheren Brötchengebern in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Daß der Prozeß ausgerechnet in Weingrabers italienischem Exil stattfindet, gibt dem Verfahren zusätzliche Pikanterie. Jahrelang weigerten sich die Behörden, das Abtauchen ihres V-Mannes in sonnige Gefilde offiziell zu bestätigen.

Ende der siebziger Jahre hatte sich Weingraber mit Hilfe des LfV abgesetzt, nachdem ihm in Berlin der Boden zu heiß geworden war. Der V-Mann mit dem Decknamen „Wien“ war tief in den bis heute unaufgeklärten Mord an dem Berliner Studenten und Sympathisanten der „Bewegung 2. Juni“, Ulrich Schmücker, verwickelt. Das Gerichtsverfahren gegen mehrere Verdächtige, in dem Justiz, Innenbehörde und LfV eine dubiose Rolle spielten und in der jahrelang Beweisstücke unter Verschluß gehalten wurden, wurde im Januar 1991 nach 15 Jahren Verhandlungsdauer vor dem Berliner Landgericht eingestellt. Eine der Angeklagten hatte sieben Jahre im Untersuchungsgefängnis gesessen – ein für die bundesdeutsche Justiz unübertroffener Rekord.

Weingraber spielte in dem Mordfall Schmücker eine zentrale Rolle. Sein Auftraggeber hatte ihn 1972 auf die linke „Bewegung 2. Juni“ angesetzt. Nur eine Stunde nach dem Mord am 4. Juni 1974 im Berliner Grunewald – Schmücker wurde in der radikalen Polit-Szene als LfV-Spitzel verdächtigt – erhielt Weingraber von einem der Täter die Tatwaffe. Erst im Frühjahr 1989 wurde sie von der Innenbehörde einer perplexen Öffentlichkeit präsentiert – solange war die Pistole vom LfV mit Wissen der Staatsanwaltschaft in einem Tresor unter Verschluß gehalten worden.

Bis Mitte der achtziger Jahre war dem Sohn eines Professors die Spitzeltätigkeit vom LfV bereits mit rund 310.000 Mark versüßt worden. Als jedoch 1986 sein Versteck in der Toskana durch einen Spiegel-Bericht aufflog, steckte ihm das LfV weitere 450.000 Mark als Abfindungssumme zu. Doch der Agent hielt sich nach Ansicht der Senatsverwaltung für Finanzen nicht an die damalige schriftliche Vereinbarung mit dem LfV. Statt sein Weingut in der Toskana aufzugeben und „an einem sicheren Ort eine neue Existenz unter den mit mir abgesprochenen Sicherheitsvorkehrungen“ aufzubauen, spielte Weingraber den findigen Unternehmer: Seinen mondänen Alterssitz ließ er sogar noch um zwei Ferienwohnungen erweitern.

Die dubiose Rolle des LfV war erstmals 1990 durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß ruchbar geworden. Es dauerte noch einmal zwei Jahre, bis im April 1992 die Innenverwaltung den Vorgang an die Finanzbehörde übergab. Sechs Monate später legte ein italienischer Rechtsanwalt Klage ein. Weingraber selbst hat bei der Finanzverwaltung Widerspruch eingelegt. Der Prozeß, so wird vermutet, dürfte daher mehrere Jahre dauern — für die Schmücker-Affäre nichts Neues. Severin Weiland