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Die Hälfte der KolumbianerInnen blieb zu Hause

■ Trotz angekündigter Anschläge insgesamt ruhiger Verlauf der Kommunalwahlen / Liberale verlieren die Hauptstadt, bleiben aber insgesamt vorn

Bogota (AP/AFP/dpa/taz) – Wenn einer in Kolumbiens Hauptstadt mit einem rosafarbenen Plastikschwert durch die Stadt rennt, um damit den Haushalt der Nationaluniversität zu verteidigen, dann ist das vermutlich deren ehemaliger Direktor Antanas Mockus, seit vorgestern gewählter Bürgermeister von Bogota. Der 42jährige gebürtige Litauer gewann die Kommunalwahlen in der Hauptstadt mit rund 64 Prozent deutlich vor seinem Gegenkandidaten von der Liberalen Partei. Das parteilose Original Mockus war über Nacht zur Berühmtheit geworden, als er im vergangenen Jahr in Umkehrung aller Protestmanieren der 68er-Generation als Professor seinen StudentInnen den blanken Hintern zeigte, als die ihn bei einer Vorlesung niederbrüllen wollten und das auch noch im landesweiten Fernsehen übertragen wurde. Ob Mockus auch als Bürgermeister der 6-Millionen-Stadt wird glänzen können, muß er noch unter Beweis stellen. Als Politiker ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

Insgesamt wiesen die Kommunalwahlen in Kolumbien am vergangenen Sonntag einen leichten Trend zu unabhängigen Kandidaten auf, die nicht einer der traditionellen Großparteien, den Konservativen oder den Liberalen angehören. Vor allem die Liberalen, deren Kandidat Ernesto Samper erst im Juni zum Präsidenten gewählt worden war, mußten Federn lassen. Im landesweiten Durchschnitt allerdings liegen sie nach den bisherigen Auszählungsergebnissen mit 53 Prozent dennoch deutlich in Führung, gefolgt von den Konservativen mit rund 30 Prozent. Nach den Parlamentswahlen im März und den zwei Runden der Präsidentschaftswahl im Mai und Juni waren die Kommunalwahlen die vierte Stimmabgabe in diesem Jahr. Die Wahlbeteiligung lag unter 50 Prozent.

Wahlergebnisse aus den kleineren Städten lagen bis Redaktionsschluß nicht vor, allerdings weisen erste Trends auf einen Sieg der Liberalen in den meisten Städten hin. Hier wird insbesondere das Abschneiden der ehemaligen Guerilla M-19 mit Spannung erwartet. Nach ihrem Scheitern auf nationaler Ebene wollte die Partei über die Kommunen einen Neuanfang erreichen. Der zweimal gescheiterte Präsidentschaftskandidat Antonio Navarro Wolff versuchte, in der kleinen Küstenstadt Pasto das Mandat zu erringen.

Trotz einer angekündigten Offensive der noch aktiven Guerilla- Einheiten verliefen die Wahlen insgesamt ruhig. Bei einem Angriff der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (FARC) auf eine Militärpatrouille 350 Kilometer westlich der Hauptstadt wurden nach Armeeangaben ein Soldat schwer und zwei weitere leicht verletzt. Am Samstag waren bei Kämpfen zwischen Armee und Guerilla zehn Menschen ums Leben gekommen.

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