Die Reform per Gesetz

■ Schulsenatorin Rosemarie Raab geht in die Offensive: Entwurf für neues Schulgesetz soll bildungspolitische Debatte entfachen Von Kaija Kutter

Neuer Wind in der bildungspolitischen Diskussion dieser Stadt: Schulsenatorin Rosemarie Raab hat einen Entwurf für ein neues Schulgesetz vorgelegt, der Anstoß zu einer grundlegenden Reformdiskussion sein soll. Wichtige Punkte:

–  Die starre Trennung der Fächer soll zugunsten von ganzheitlicherem Lernen aufgeweicht werden. Fächer werden zu Lernbereichen zusammengefaßt. Statt herkömmlicher Lehrpläne gibt es „Bildungspläne“, in denen die Perspektive des Schülers eingenommen wird. Motto: nicht die Fächer, die Schüler werden unterrichtet.

–  Künftig kann auch in den Klassen 5 und 6 auf Noten verzichtet werden. Ziel des „schulischen Lernens“ soll auch der Erwerb von „Schlüsselqualifikationen“, wie Selbständigkeit, Teamfähigkeit und vernetztes Denken sein.

–  Schule soll demokratisiert werden. Statt starrer Aufsicht soll die Fachbehörde beratende und unterstützende Funktion einnehmen.

–  Das Schulwesen soll dem „Grundsatz der Integration“ folgen. Weder Geschlecht noch körperliche oder geistige Behinderung, oder soziale und kulturelle Herkunft dürfen zu Ausgrenzungen führen.

–  Schulen werden ausdrücklich ermuntert, eigene Schwerpunkte zu setzen. Schulkonferenzen können beschließen, von Bestimmungen der herkömmlichen Stundentafel abzuweichen. Auch können Schulversuche auf Antrag der Schulkonferenz eingerichtet werden. Gewünscht, so Raab, ist ein permanenter Erneuerungsprozeß, ein „zur Zukunft hin offenes System“.

„Es sind alles nur Vorschläge. Alles ist änderbar“, betont Raab-Sprecher Ulrich Vieluf. Der Entwurf wird an Schülervertretungen, Elternräte und Lehrerkollegien verschickt. Im Januar sollen zwei Foren von Juristen und Erziehungswissenschaftlern über den Entwurf beraten, bis zu den Frühjahrsferien soll die Diskussion beendet sein.

Dem Entwurf, so Vieluf, sei der Gedanke zugrunde gelegt, „nur das zu regeln, was auch per Gesetz geregelt werden muß“. Eine Reihe von Ordnungsmaßnahmen, wie der klassische „Verweis“ oder der „Ausschluß von allen Schulen in Hamburg“, die in dem vor 17 Jahren verabschiedeten und von damaligen Schülern bestreikten alten Schulgesetz verankert sind, wurden gestrichen. Zwar gibt es noch die Möglichkeit, einen Schüler in eine andere Klasse oder Schule zu „überführen“, wie es vornehm heißt. Bevor solche Strafen verhängt werden, muß jedoch ein schuleigener „Schlichtungsausschuß“ Stellung nehmen, der – und das ist neu - zu einem Drittel aus Schülern besteht.

Wie solch ein Schlichtungsausschuß gewählt wird, dies soll in dem bald folgenden Entwurf für ein neues Schulverfassungsgesetz geregelt werden. Ebenso wie die Frage der Ausgestaltung von mehr Demokratie und Selbstverwaltung, die auch von der Schulsenatorin im Vorwort des Gesetzentwurfs proklamiert werden.

Das Schulgesetz sei ein „mutiger Schritt in die richtige Richtung“, kommentierte den auch gestern der schulpolitische Sprecher der GAL, Kurt Edler. Zum „Schwur“ würde es aber erst bei der Novellierung des Schulverfassungsgesetzes kommen. „Hier nämlich muß der Senat beweisen, daß er aufgeklärt genug ist, freiwillig auf Macht zu verzichten und den Schulen echte Demokratie zuzugestehen.“

Der Deutsche Lehrerverband Hamburg hatte gestern etwas zu mäkeln: Zwar sei zu begrüßen, daß nun die geforderte „Generaldebatte“ über Schule beginnt; das Verfahren einer breit gestreuten Diskussionvorlage sei „erfreulich“. Gleichzeitig müsse die Politik aber sagen, wie sie das, was im Gesetz verankert wird, auch bezahlen will.