Lichterkette um den Globus

■ Einleuchtend: Horst Müllers brillante Konzeptkunststücke, derzeit in der Bremer „Galerie im Winter“ ausgestellt

Hier steht die Zeit still, hier gerät die Welt aus den Fugen – dabei ist doch scheinbar alles ganz ruhig im Raum. Aber so ist Horst Müllers Kunst. In der guten Stube der „Galerie im Winter“, zwei gediegene Bremer Altbauzimmer umfassend, hat er seine neuen Werke arrangiert, sehr zurückhaltend, sehr einfach, sehr gezielt: eine Uhr ohne Zeiger und Ziffern; eine Weltkarte, deren Konturen nach allen Seiten fliehen; drei Drucke; Titel: „5 Arbeiten von Horst Müller“. Müller, der Künstlerphilosoph, ist einer der Stillen im Lande. Und einer der Ausdauerndsten unter den heimischen Kunstschaffenden. Keine Hetze, kein Lärm in seiner Kunst – mit der Ruhe des erfahrenen Spielers setzt er seine Kunstgriffe ein.

Und die sitzen. Was an Müllers Sorte Konzeptkunst fasziniert, ist die Effektivität seiner Arbeit. Zu früheren Zeiten mußten Künstler ja oft größere Materialmassen (zumindest im Geist) bewegen, um ihre Konzepte glaubhaft zu machen – Unternehmen wie die Monumentalplastik „Demokratisches Wetter für Norddeutschland“, die gesamte Küste mit aufblasbaren Kissen überragend, standen für den großen utopischen Drive der damals neuen Kunstsparte. Müller hat diese Zeit wohl durchmessen – mit dem großartigen Gestus jener Konzeptkunst hat die seine allerdings nichts zu schaffen.

Um die Welt zu verändern, reicht ihm heute z.B. ein handelsübliches, schmales Trommelfell. Auf dieses hat Müller eine Weltkarte gezeichnet. Nicht die altbekannte, sondern eine, die anderen geometrischen Mustern folgt. Hier rücken die Kontinente an den kreisrunden Rand; in der Mitte macht sich Leere breit. Ähnlich verzerrt ist Müllers Amerika-Bild. Aus hunderten brennender Glühbirnen hat er seine elegant gelängte Version der Landkarte auf dem Galerieboden installiert. Verschiebungen, Spiegelungen, „gebrochene Ordnungen“, wie Müller sagt, sind zentrale Themen seiner Kunst. Bei seinen Arbeiten gibt es nie den einen, idealen Betrachterstandort. Alles wird zu einer Frage der persönlichen Perspektive. Keine Kleinigkeit – aber gerade, weil Müller große Fragen mit geringstem Energieaufwand stellt, zeitigen seine Arbeiten die erwünschte Wirkung.

Was auch daran liegt, daß hier mal nicht die clevere Methode sämtliche übrigen Aspekte der Kunst erschlägt. Bei aller konzeptionellen Stringenz ist die ästhetische Form hier keineswegs beliebig – im Unterschied zu vielen, allzu pfiffig und schnoddrig hingehauenen Kunststückchen vieler jüngerer Konzeptkünstler. Müllers Glühbirnenwelt leuchtet nicht nur ein, sondern auch noch schön; nicht zuletzt sind diese Arbeiten autonome, poetische Figuren von großer Strahlkraft. Thomas Wolff

Bis 6.11., Galerie im Winter, Richard-Wagner-Str. 32, tägl. 15-19 Uhr