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■ Die Wahrheit über das amerikanische Treiben im BettWo sind all die Sexbesessenen?

Berlin (taz) – Sind die Amerikaner tatsächlich so sexbesessen, wie uns Filme, Seifenopern und Videoclips weismachen wollen? 40 Jahre nach dem berüchtigten Kinsey-Report, dem zufolge sich die Amis rund um die Uhr lustvoll in den Federn, auf Küchentischen und Autorücksitzen wälzen und jeder zweite Mann angibt, außereheliche Affären zu haben, ist jetzt in der Universität Chikago die erste wissenschaftliche Studie* erschienen, die mit diesen euphorischen Vorstellungen Schluß macht, wie das Time-Magazine (vom 13.10.) bemerkt. Wahr ist vielmehr: das Liebesleben der Amis ist so aufregend wie ein Bohneneintopf.

Amerikanische Ehepaare haben demnach häufiger Sex als Singles, nämlich ungefähr zweimal wöchentlich. Der durchschnittliche Mann hat im Laufe seines Lebens sechs SexpartnerInnen, die typische Amerikanerin jedoch nur zwei. Ehepaare sind außerdem meistens monogam. 96 Prozent der Befragten finden den „normalen“, vaginalen Sex „sehr oder doch ziemlich befriedigend“. Während oraler Verkehr nur an dritter Stelle der Beliebtheitsskala der am meisten erregenden Erlebnisse steht, brachte der zweite Rang eine große Überraschung: 70 Prozent finden es aufregend, „den Partner beim Ausziehen zu betrachten“. Kurios auch: Wer ohnehin ein aktives Sexleben hat, der betreibt auch am häufigsten Selbstbefriedigung. Und: Konservative Protestantinnen sind diejenigen Frauen, die mit größter Wahrscheinlichkeit bei jedem Akt zum Orgasmus kommen. Während bisher angenommen wurde, jede/r zehnte sei schwul oder lesbisch, gaben lediglich 2,7 Prozent der Männer und 1,3 Prozent der Frauen an, im vergangenen Jahr homoerotisch aktiv gewesen zu sein. Hat der gute Alfred Kinsey in seinem Report nun gemogelt? Können wir der Chikagoer Studie wirklich glauben?

Natürlich hat die Aids-Hysterie das Sexualleben stark beeinträchtigt, wie 76 Prozent der Befragten bekanntgaben. Dennoch krankte Kinseys Untersuchung an einer entscheidenden Kleinigkeit: Er fand damals keinen Personenkreis, der sowohl aussagewillig als auch repräsentativ war. Unter seinen immerhin 11.000 Befragten waren in erster Linie Beatniks, Burschenschaftler, Playboy-Leser und andere Aufschneider, die sich gerne mit einem bizarren Liebesleben brüsteten. Das Team aus Chikago arbeitete dagegen mit den erprobten Methoden des National Opinion Research Center (NORC): 220 Interviewer wurden speziell dazu ausgebildet, die intimsten Antworten aus den Leuten herauszukitzeln. Der an der Untersuchung beteiligte Soziologe Edward Laumann beteuert, man könne „jeden dazu bringen, über alles zu reden“, wenn man nur richtig auf ihn zuginge. 79 Prozent der 4.369 willkürlich ausgewählten Personen nahmen an der Studie teil, wobei die Fragen angeblich so formuliert waren, daß sie die „raffiniertesten Lügner austricksen“ könnten.

Doch gibt es Zweifel: Helen Gurley, Cosmopolitan-Herausgeberin, meint, „Frauen sollen nur zwei Sexpartner in ihrem Leben haben? Lächerlich! Wir raten unseren Cosmo-Girls schließlich auch, immer drei zu antworten, wenn sie nach der Anzahl ihrer Liebhaber gefragt werden.“ Playboy-Gründer Hugh Heffner ahnte jedoch längst: „Unsere puritanischen Wurzeln reichen noch tief.“ Erica Jong, Autorin des 1973 erschienenen Bestsellers „Angst vorm Fliegen“, ist von den Ergebnissen alles andere als überrascht: „War absolut vorherzusehen. Amerikaner sind am Geld viel stärker interessiert als am Sex.“ Kirsten Niemann

* Edward Laumann, Robert Michael und Stuart Michaels: „The Social Organization of Sexuality“, Verlag Universität Chikago.

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