Keine Rückkehr zur „patriotischen Linie“

■ Die bosnischen Serben können nicht auf die Unterstützung Belgrads hoffen

Belgrad (taz) – Nach mehr als 30 Monaten erfolgreicher Kriegsführung gegen wehrlose Zivilisten und eine schlecht ausgerüstete bosnische Armee befinden sich die bosnischen Serben in einer problematischen Situation. Keine drei Monate nachdem sie von ihrem bisherigen Mentor, dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević fallengelassen wurden, haben ihre Truppen nahe der nordwestbosnischen Stadt Bihać ihre erste ernsthafte militärische Niederlage erlitten. Bisher hatte der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić darauf spekuliert, einige militärische Niederlagen würden dazu beitragen, die neue „Friedenspolitik“ des serbischen Präsidenten wieder durch die alte, patriotische Linie zu ersetzen oder den „Verräter“ gar zu stürzen.

Davon allerdings ist in Belgrad derzeit nichts zu bemerken, im Gegenteil: Milošević sitzt fester denn je im Sattel. So tauchten die serbischen Niederlagen in Bosnien in den staatlichen Medien bisher kaum auf. Die halbamtliche Politika, eines der Haupt-Herrschaftsinstrumente des starken Mannes von Belgrad, brachte die neuesten Meldungen von der Front irgendwo auf den hinteren Seiten zwischen dem Wetterbericht und dem täglichen Horoskop. Von den vier wichtigsten Oppositionsparteien haben sich bisher nur zwei gegen Milošević gestellt: die „Radikale Partei“ des Tschetnik-Führers Vojslav Šešelj und die kleine „Demokratische Partei“ unter Vojslav Kostunica. Doch Šešelj sitzt zur Zeit im Gefängnis, wo er wegen „Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ auch noch einige Monate bleiben wird. Kostunicas „Demokraten“ sind zu klein, um den „Brüdern“ in Bosnien wirkungsvoll zu Hilfe eilen zu können. Und die serbisch-orthodoxe Kirche, deren Bischöfe sich am nächsten Wochenende in Banja Luka treffen werden, hat Miloševićs „Verrat“ zwar verdammt, aber die erwartete Zustimmung aus der Bevölkerung blieb bisher aus.

Somit könnten einzig die Serben in der „Republik Krajina“ im besetzten Kroatien Milošević gefährlich werden. Doch obwohl die Armee der Krajina am Montag nach UN-Angaben in die Kämpfe bei Bihać eingriff, scheint eine echte Intervention ihrer Truppen an der Seite der Landsleute in Bosnien unwahrscheinlich. Denn die Führung in Knin ist in höchstem Maße aghängig von der Führung im Belgrad: Ohne die Hilfe aus der serbischen Hauptstadt wäre Krajina-Präsident Milan Martić heute nicht an der Macht. Zudem weiß Martić, daß ein Bündnis mit Karadžić längerfristig ein Ende der eigenen Staatlichkeit der Krajina bedeuten würde. Dejan Anastasijević