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Mehr Diplomatie als Geld

Die Nahost-Wirtschaftskonferenz von Casablanca ging gestern zu Ende / USA forden Ende des Boykotts der Arabischen Liga gegen Israel  ■ Von Amos Wollin

Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“, schwärmte US-Außenminister Warren Christopher am Ende der dreitägigen Nahost-Wirtschaftskonferenz in der marokkanischen Hafenstadt. In Wirklichkeit hat es Rick's Café in Casablanca nie gegeben, und jetzt würde es auch überflüssig: Die Konferenz hat Hoffnungen geweckt, die in der Region die Sehnsucht nach dem Visum für Amerika verblassen lassen.

Der amerikanische Außenminister gab bei seiner Pressekonferenz der Hoffnung Ausdruck, daß die Arabische Liga bei ihrer nächsten Sitzung beschließt, den „nicht mehr relevanten arabischen Wirtschaftsboykott“ gegen Israel abzuschaffen. Die Nahost-Region werde nun definitiv und permanent für Geschäftsbeziehungen offen bleiben, sagte Christopher und fügte hinzu, daß die Konferenz alle seine Erwartungen erfüllt habe.

Warren sprach weniger von den dringend nötigen Finanzhilfen für die autonomen Gebieten der Palästinenser. Die Wunschliste ist lang, der Aufbau der Infrastruktur steht an der Spitze. Als wichtigste Probleme wurden immer wieder die Wasserknappheit, die Bevölkerungsexplosion, Überschuldungen der Staatshaushalte und veraltete Rechtsordnungen genannt. Christopher selbst hatte von einem „Marshallplan“ für die ganze Region gesprochen.

Steff Wertheimer, einer der vielen israelischen Industriellen und Geschäftsleute, die neben den israelischen Regierungsvertretern an der Konferenz teilnahmen, gab zwar zu, es sei zu keinen konkreten wirtschaftlichen Transaktionen gekommen. Aber allein die Atmosphäre des gegenseitigen Kennenlernens, die Kontaktaufnahme mit potentiellen arabischen Partnern sei vorteilhaft und für die zukünftige Entwicklung bedeutsam gewesen.

Als sei es selbstverständlich, sah man am Montag denn auch Israels Außenminister Schimon Peres in der Lobby des Kongreßzentrums gemütlich mit dem PLO-Diplomaten Nabil Shaath plaudern. Kurz darauf schüttelte er die Hände von weißgewandeten Delegierten aus Katar, als ob sie alte Freunde wären. Dabei haben Katar und fünf andere arabische Staaten erst vor einem Monat ihren Wirtschaftsboykott gegen Israel gelockert.

Die gestern beendete Casablanca-Konferenz gehört zu den sensationellen Ereignissen, deren Bedeutung allein schon in der Tatsache liegt, daß sie stattgefunden haben. Israels Außenminister Schimon Peres, der zusammen mit nicht weniger als neun anderen Regierungsmitgliedern und Premier Jitzhak Rabin nach Marokko eingeflogen war, bezeichnete das Gipfeltreffen als „den Beginn einer Revolution im Nahen Osten“.

Tatsächlich liegt die Bedeutung dieser von Israel angeregten internationalen Großkundgebung vornehmlich in der politischen Sphäre. Schon die Vorbereitung der Konferenz war ein diplomatischer Erfolg. Denn ohne die sehr aktive Unterstützung der amerikanischen und marokkanischen Behörden wäre sie natürlich nicht realisierbar gewesen.

Arabische Konferenzteilnehmer und Vertreter großer internationaler Firmen fanden es jedoch noch verfrüht, regionale wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen, da ja eine allumfassende friedliche Lösung des israelisch- arabischen Konflikts noch keineswegs gesichert ist. Israels Kriegszustand mit Syrien und Libanon dauert an, und der Konflikt mit den Palästinensern ist weit davon entfernt gelöst zu sein – wie das Auftreten der israelischen und palästinensischen Vertreter bei der Konferenz in Casablanca selbst deutlich gemacht hat.

Dennoch meldeten Mitglieder der israelischen Regierungsdelegation Erfolge bei ihren Bemühungen, neue diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen mit der islamischen Welt herzustellen. So soll jetzt die Errichtung von Interessenvertretungsbüros der Regierungen von Oman, Katar und Bahrain in Israel bevorstehen. Tunesien beabsichtigt angeblich, diplomatische Beziehungen mit Israel aufzunehmen. Einstweilen sollen in beiden Ländern staatliche Handelsvertretungen eröffnet werden. Das Land will in der kommenden Woche auch an der regionalen Handelskonferenz teilnehmen, die Israel in Jerusalem einberufen hat.

Am Montag eröffnete der israelische Außenminister Schimon Peres das neue Gebäude der israelischen Interessenvertretung in der marokkanischen Hauptstadt. Auch ein Vertrag für Zusammenarbeit der marokkanischen und israelischen Handelskammern wurde dort unterzeichnet.

Etwa ein Dutzend Arbeitsgruppen von Firmenvertretern befaßte sich bereits mit einzelnen Projekten. Michael Federman, Chef der iraelischen „Dan“-Hotelkette, sprach mit Gilbert Trigano vom „Club Méditerrané“ und mit dem Leiter des Tourismusbüros von Bahrain über die Möglichkeiten, das reiche kulturhistorische Erbe der Region touristisch zu erschließen.

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