Geld macht doch glücklich

Die Tabelle beweist's: Das wirtschaftliche Ungleichgewicht der Bundesliga macht die Kluft zwischen Guten und Schlechten immer größer  ■ Von Christoph Biermann

Als sich Wolfgang Holzhäuser vergangenen Montag in die Tabelle der Fußball-Bundesliga vertiefte, befiel ihn ein gewisses Befremden: „Es sieht so aus, als ob die vier Letzten der Tabelle nur noch ihren Besten ermitteln, der dann nicht aus der Bundesliga absteigt.“ Als Ligasekretär des DFB konnte ihm das nicht gefallen. Schließlich ist es nicht allein Holzhäusers Job, die Bilanzen der Klubs zu kontrollieren, sondern er soll insgesamt das Wohl des Profifußballs im Auge behalten. Und eine Spezialliga der Fußkranken am Tabellenende kann dem nicht dienlich sein.

Am vergangenen Wochenende gaben bei den Begegnungen derer „oben“ gegen jene „unten“ die letzten sechs der Tabelle einmütig die Punkte ab. Nach erst einem Drittel der Saison scheinen in der Klassengesellschaft Bundesliga die Rollen der Verlierer bereits fest vergeben zu sein. Der MSV Duisburg jagt bei zur Zeit 2:20 Punkten den negativen Startrekord der Liga (bislang 3:25 Punkte ohne Siege), während Bochums Trainer Jürgen Gelsdorf der Hälfte seiner hilflos kickenden Mannschaft die Bundesligatauglichkeit abspricht. Die rustikalen Spieler von München 1860 sind allein bei gelben Karten (39!) und Platzverweisen (sechs) alleiniger Tabellenführer, und der unfreiwillige Pharma-Aussteiger Bayer Uerdingen nährt vornehmlich der Trotz der Verschmähten.

Traurige Nachzügler gibt es in jedem Jahr, aber Holzhäuser bewertet die Situation grundsätzlicher: „Im Moment haben wir den Trend, daß sich das wirtschaftliche Ungleichgewicht in der Liga auch in der sportlichen Situation ausdrückt.“ Dabei unterscheidet er eine „Dreiklassengesellschaft“. Ganz oben haben sich die Spitzenklubs durch die in den letzten Jahren boomenden Fernsehbilder im Europapokal einen fast uneinholbaren Vorsprung gesichert. Noch heute erzählt Dortmunds Vereinspräsident Gerd Niebaum von den schlaflosen Nächten, die er vor sechs Jahren verbracht hat, als Borussia für 2,4 Millionen Mark Andreas Möller verpflichtete. Als der BVB in diesem Jahr Möller zusammen mit Julio Cesar für 11,5 Millionen aus Turin zurückholte, hat er hingegen keine Minute extra wachgelegen. Und Bayern-Manager Uli Hoeneß konnte sich schon vor Saisonbeginn beruhigt zurücklehnen: „In der Champions League nehmen wir zehn Million Mark ein. Damit ist das Jahr wirtschaftlich gelaufen, ob es regnet oder schneit.“

Hinter den Großen aus Dortmund und München, Bremen, Leverkusen und Kaiserslautern rangelt der Mittelstand zunehmend verzweifelt um Zutritt ins Land von Milch und Honig. Also überweist der HSV seiner Stürmerhoffnung Bäron eine Million Mark pro Jahr, Mönchengladbach treibt 1,6 Millionen Ausleihgebühr plus Millionengehalt für Stefan Effenberg auf, und Winfried Schäfer, der beim KSC noch vor kurzem das Lied vom bescheidenen Wirtschaften sang, gibt neuerdings frohgelaunt einen großen Teil der 15 Millionen Mark Fernsehgelder aus dem letzten Europapokal für die Chance wieder her, sich für diesen Wettbewerb erneut qualifizieren zu können.

Ein kurzer Blick auf die Tabelle beweist: Es funktioniert. Geld macht doch glücklich. Da staunt das Proletariat der Liga und wird abgehängt. Wie schnell, kann in Köln erfragt werden. 22 mal hatte der 1. FC Köln an internationalen Wettbewerben teilgenommen, verabschiedete sich aber 1992 genau zu jenem Zeitpunkt, als dort die Honorare explodierten. Seitdem ist der Traum vom UEFA- Cup am Geißbockheim Illusion: Der ehemalige Nobelklub vom Rhein wurde zum Sozialabsteiger der Liga.

Und auch wenn in Duisburg, Bochum oder bei München 1860 traurige Geschichten von überflüssigen Krächen, Verletzungspech und falschen Spielern erzählt werden können: Genau diese Klubs hinken eben nicht nur sportlich weit hinterher. Einen wesentlichen Grund dafür sieht Holzhäuser in der Entwicklung von Spielergehältern von Kickern durchschnittlicher Qualität. Das Ansteigen der Spitzenverdienste der Stars hat auch den Rennern und Kämpfern zu einer deutlichen Erhöhung ihrer Entlohnung verholfen. Für Werder oder Dortmund ist das kein Problem. „Aber ein Verein aus dem unteren Drittel muß unverhältnismäßig viel Geld ausgeben, um sich letztendlich sportlich nicht so deutlich zu verbessern.“

Weil nicht überall Freiburg ist, wo Trainer Finke und Vorsitzender Stocker den Eindruck verbreiten, sich mit für die Konkurrenz beschämender Leichtigkeit über die Macht des Geldes hinwegschwingen zu können, denkt man im Ligasekretariat wieder einmal über Eingriffe ins System nach. Auch schon in früheren Krisen diskutiert wurden: Umverteilung der Fernsehgelder, Teilung bei Zuschauereinnahmen, Veränderung der Transfermultiplikatoren, der Spielerkäufe für reiche Klubs teurer und für arme billiger macht. Versuche solcher Eingriffe dürften auf bekannte Widerstände treffen. „Ich kann das Gerede von der Mehrklassengesellschaft nicht mehr hören“, maulte etwa Uli Hoeneß prophylaktisch schon zu Saisonbeginn. So wird die dramatisch zugenommene Konzentrationsentwicklung im Fußball vielleicht schon bald so weit gediehen sein, daß ein anderer Klassiker der Diskussion wirklich umgesetzt wird. Denn auch das will Holzhäuser nicht ausschließen: „Vielleicht müssen wir die Bundesliga einfach verkleinern.“