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StandbildAuskunft über das Sterben

■ "Boulevard Bio"

„Boulevard Bio“, Dienstag, ARD, 23.05 Uhr

Auf das Jackett mit den großen Karos hat er diesmal verzichtet. Das Thema „Wie wir sterben“ ist ernst, Bioleks Kombination dunkelgrau mit zarten Streifen, die Krawatte dunkellika. Selten können Gäste ihm oder den anderen ausgebildeten Volkstribunen ein sehr persönliches Erlebnis schildern, das diese nicht mitfühlen oder sogar besser formulieren können.

Anders beim Gesprächsstoff „Sterben“. Angespannt und in einigen Momenten wohl auch konzeptlos, überließ er das Thema ganz den auskunftswilligen Geladenen und ihren Vorstellungen von einem „schöneren“ Sterben, sei es im Hospiz oder im Freundeskreis. Gleich zu Beginn kamen Bioleks Fragen an den HIV-positiven Schriftsteller Napoleon Seyfarth, der aidskranken Freunden bis zum letzten Augenblick zur Seite gestanden hat, sparsam und nicht selten mit belegter Stimme. Die Sache lag Biolek am Herzen, zur Diskussion stand sie nicht.

Nur im Gespräch mit dem studierten „Suizid-Verhüter“ und neuen Vorsitzenden der „Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben“, Hermann Pohlmeier, hielt es Bio für angebracht, andeutungsweise auf die profitablen Zyankali-Geschäfte von dessen Vorgänger Hans-Henning Atrott hinzuweisen, die den Verein in ein „eigenartiges Licht“ setzten. Das war relativ mutig, zumal der Talk-Master doch seinen weitaus harmloseren Tadel gegen das anonyme Sterben zwischen den weißen Kacheln der Intensivstation einen Atemzug später wieder zu universalem Konsens zerredete.

Daß die ganze Veranstaltung nicht zu einem Abend mit Goldrand wurde, lag diesmal an den schnörkellosen Auskünften der Befragten, die wie die professionelle Sterbebegleiterin Daniela Tausch-Flammer keine Scheu zeigten, das Interview zu einem Informationsgespräch für potentielle Kunden zu gestalten. Auch Seyfarth und seine Beerdigungsideen sorgten für angenehmen Pragmatismus.

Vom Schild „Wir müssen draußen bleiben“ für ungebetene Trauergäste bis zur musikalischen Untermalung („Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“) hat der Leder-Fan das Zeremoniell bis ins kleinste testamentarisch festgelegt. Und weil er sich dieses Fest nur ungern entgehen läßt, hat er schon mal vorgefeiert: „Mit 400 Männern, verkleidet als Klageweiber... Es war wunderschön.“ Birgit Glombitza

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