Abgesänge auf die Bau-Legende

■ Heute vor 125 Jahren wurde Hamburgs berühmtester Oberbaudirektor in Bremen geboren Zum Fritz-Schumacher-Jahr erschienen Bücher für Neugierige und Kundige Von Till Briegleb

Nachdem das Jubiläumsjahr nun einigermaßen erfolgreich fast überstanden ist, folgt der eigentliche Anlaß erst jetzt: Heute von 125 Jahren wurde Hamburgs erster Oberbaudirektor Friedrich Wilhelm Schumacher in Bremen geboren. Nachdem Schumachers Wirken und Vita in den vergangenen Monaten bereits ausführlich behandelt wurden, wollen wir dieses Datum zum Anlaß nehmen, jene Publikationen vorzustellen, die zu dem Jubiläum erschienen sind.

Reformkultur und Moderne

Der Katalog zu der Fritz-Schumacher-Ausstellung, der jetzt auch in Buchform vorliegt, krankt ein wenig an denselben Mängeln, die auch schon die große Schau in den Deichtorhallen aufwies: Er ist kein Einführungswerk, sondern richtet sich hauptsächlich an bereits Kundige. Ließ die Ausstellung Schumacher und seine Zeit in all ihrer Schönheit die Bezüge zwischen den Exponaten nicht transparent werden, so lange man das Thema der Reformbewegung am Anfang des Jahrhunderts nicht präsent hatte und so die Assoziationen der Ausstellungsmacher nachvollziehen konnte, so verursacht bei dem Katalog die Masse an spezifischen Teilaspekten maßgeblich das Gefühl, es hier mit einem wissenschaftlichen Fragment zu tun zu haben.

So wird sich der unvorbelastete Leser nach der Lektüre des 300 Seiten starken Bandes der paradoxen Empfindung nicht erwehren können, daß er trotz der Aufarbeitung in chronologisch geordneten Abschnitten kein Gesamtbild der reichen Persönlichkeit und des durchaus nicht widerspruchsfreien Lebens und Wirkens Schumachers erhält. Mag das Fehlen einer Schumacherforschung das Konzeptionsteam von Ausstellung und Buch dazu bewogen haben, sich dem Thema anzunehmen, so hat sie dies anscheinend auch dazu verleitet, mehr auszuschweifen, als die Materie zu verdichten.

Allerdings betrifft dieses Problem primär jene, die, durch den Architektursommer neugierig auf Schumacher geworden, einen ersten Zugang suchen. Für sie empfiehlt es sich, die von Schumacher selbst verfassten Schriften, insbesondere seine Biografie Stufen des Lebens, zur Hand zu nehmen, deren Neuauflage man zum Jubiläumsjahr schmerzlich vermißt hat. Vor diesem Wissenstand wird Reformkultur und Moderne, das tatsächlich kein richtiger Katalog ist, da es keinerlei Bezug zur Ausstellungskonzeption hat, dann allerdings ein unverzichtbares Reservoire an Hintergrundinformation.

Herausgeber Hartmut Frank und vier weitere Autoren und Autorinnen breiten ein weites Panorama an Personen- und Zeitbezügen aus, die für Schumachers gemäßigte Reformideen von entscheidender Bedeutung waren. Philosophische Hintergründe (vornehmliche Nietzsche) werden ebenso untersucht wie die künstlerischen Vorbilder seiner Idee von der einheitlichen, monumentalen Kunst (etwa Hans von Marees) oder seine politischen Leitfiguren (vor allem der National-Konservative Friedrich Naumann). Doch im Vordergund steht Schumachers originäres Ringen um eine sozial verträgliche, heimat-verbundenen und moderat moderne Baukultur, sei es beim Hamburger Stadtpark oder beim Generalplan für Köln.

Leider wird in dieser Einbettungsstrategie, die ganz Schumacherzentristisch seine persönlichen Maßstäbe darzulegen versucht, versäumt, die Konfrontation mit der klassischen Moderne zu problematisieren. Eine derartige Gegenüberstellung, die von Frank nur am Rande der Beschreibung des Kölner Generalplans geleistet wird, hätte für die Positionsbestimmung Schumachers im Rahmen der Geschichte der Stadtentwicklung nach der Jahrhundertwende sicherlich Wertvolles leisten können. Auch eine architektonische Kritik zu den unterschiedlichen Phasen in Schumachers eigenem Werk, das ja mit einiger Verspätung zu den Formgesetzten der Moderne gelangte und hier gerade in den Schulbauten einige wirkliche bemerkenswerte Bauten aufzuweisen hat, wird nur als Nebensache betrachtet.

Ein Werkverzeichnis mit über 300 Kurzbeschreibungen von Geplantem und Gebautem beschließt den schön gestalteten und reich bebilderten Band, der bis zur wünschenswerten Installation einer Schumacherforschung in Hamburg das vorläufige Standardwerk in Sachen Schumacher darstellen wird.

Gerd Hatje Verlag, 312 Seiten mit 393 Abb., 98 Mark

Fritz Schumacher - Mein Hamburg

Wie Schumacher neben seinem reichhaltigen Schaffen als Stadtplaner und Architekt auch noch literarisch und künstlerisch tätig sein konnte, läßt sich eigentlich nur durch das völlige Fehlen eines Privatlebens erklären. Zeit seines Lebens und insbesondere nach seiner Suspendierung 1933 durch die Nazis hat Schumacher sich in vielen Titeln zu den unterschiedlichsten Problemen der Zeit geäußert.

Sein Werkverzeichnis reicht von „Das Weltbild Goethes“ über „Träumereien - ernste und heitere Gedankenspiele“, „Ausblicke für die kunsttechnische Zukunft unseres Volkes“ und „Das Wesen der neuzeitlichen Backsteinkunst“ bis zu Publikationen, die den Menschen die Arbeit der Stadtplanung näherbringen sollten wie „Das Werden einer Wohnstadt“ oder „Vom werdenden Stadtpark“. Da Schumacher trotz seiner politisch oft sehr merkwürdigen Ansichten ein ausgesprochen inspirierter Schriftsteller war, lassen sich viele seiner Bücher – die leider in keinen aktuellen Auflagen vorliegen – noch heute mit großem Vergnügen lesen.

Der vorliegende Band bietet nun eine kleine, appetitanregende Auswahl aus Schumachers Werk, die mit historischen Fotos angereichert demjenigen gilt, dem obige Textsammlung zu schwer im Magen liegen wird. Zwar werden alle Aspekte nur sehr kurz angerissen, aber dafür wird ein übersichtlicher zeitlicher Bogen bis zu Schumachers letzten Aufzeichnungen gezogen, die seiner traurigen Rückkehr in das zerstörte Hamburg gelten.

Insbesondere die Fotoauswahl des Buches ist gelungen, da sie sich nur auf zeitgenössisches Material stützt und somit einen stimmigen Gesamteindruck über die innere und äußere Atmosphäre von Schumachers Bauten zur Enstehungszeit gibt. In den kurzen Kapiteln etwa zu dem durch Schumacher initiierten Verein der Griffelkunstfreunde, zur Enstehungsgeschichte des Hamburger Krematoriums oder über seine Bekanntschaft mit Ernst Barlach erfährt man zudem in aller Kürzer mosaikmäßig erstaunlich viel über die Person Fritz Schumachers.

Medien Verlag Schubert, 150 S.

Bauten und Planungen in Hamburg

Das von Hamburgs oberstem Denkmalpfleger Manfred Fischer herausgegebene kleine Bändchen versammelt in Kurzbeschreibungen und kleinen Abbildungen jene Bauten Schumachers, die den Krieg überstanden haben und heute - teilweise mit erheblichen Veränderungen - noch erhalten sind. Außerdem werden jene Stadtteile aufgeführt, für deren städtebauliches Gesamtkonzept Schumacher verantwortlich war (wie die Jarrestadt oder in Dulsberg).

Der im Taschenformat gehaltene Führer ist nach Funktionsweisen sortiert, enthält aber auch eine Auflistung nach Stadtteilen, so daß er zur Erkundung in der eigenen Umgebung bestens geeignet ist. Daß in der gebotenen Kürze viele Aspekte außen vor bleiben müssen, erklärt sich von selbst, aber für ein erstes Beschnuppern des Spiritus rector vieler zeitgenössischer Hamburger Architekten und Planer ist dieser Stadtführer eine kostengünstige Grundanschaffung.

Christians Verlag, 110 Seiten, 12,90 Mark