Anwalt: Diese Zeugin ist doch hysterisch

■ Gericht muß klären, ob Assad H. seine Freundin, Mutter zweier Kinder, tatsächlich zur Prostitution gezwungen hat

Assad H. (31) kann gut erzählen: Drei Stunden lang berichtete gestern der gebürtige Iraner der Großen Strafkammer des Bremer Landgerichts über sein Verhältnis zu Elvira M.* (32). Wie er sie in einem Hamburger Bordell kennengelernt habe, wie er der Mutter von zwei Kindern 100 Mark ohne Gegenleistung auf den Tisch gelegt habe, sie schließlich aus dem Bordell herausgeholt habe, wie er ihr Geld für den Führerschein und die Sparkonten der Kinder gegeben habe... wie er die Frau mit Wasser aus der Moschee besprengt habe, als sie wieder mit der Prostitution anfangen wollte... wie er ihr eine Ohrfeige gegeben habe, weil sie ihn zum Zuhälter haben wollte ... Die Richter scheinen beeindruckt.

Doch sie kennen auch die dicke Akte mit dieser Anklage: Dem Kellner und Teppichhändler Assad H. wird vorgeworfen, Elvira M. 1992 zur Prostitution gezwungen zu haben, indem er sie, bedrohte, würgte, erpreßte ... Nicht zuletzt soll Assad H. der Frau 6.000 Freierlohn abgeknöpft haben. Menschenhandel also wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Als Menschenhändler gilt, wer seines Vermögensvorteils wegen einen anderen zum Beispiel mit Gewalt, durch Drohung, List oder in Kenntnis einer Zwangslage dazu bringt, der Prostitution nachzugehen. Seit der Gesetzesänderung von 1992 ist es dabei unerheblich, ob die Gezwungene bereits früher der Prostitution nachgegangen ist.

Nach drei Stunden Vernehmung wird die Hauptzeugin hereingebeten. Elvira M. ist sichtlich nervös. Da das Zeugenberatungszimmer seit über einem halben Jahr geschlossen ist, erläutert die Staatsanwältin der aufgeregten Frau, wer eigentlich alles hier versammelt ist. Elvira M. laufen bereits die Tränen herunter, als sie erzählt, wie sie zur Prostitution kam: Der Vater ihrer beiden Kinder sei ein Spieler gewesen, in ihrer Not sei sie irgendwann mit den Kindern ausgezogen und habe sich dann nur als Prostituierte durchzuschlagen gewußt. Der Verteidiger ruft verärgert dazwischen: „Die zieht doch eine Show ab, um zu beeindrucken.“ Doch der Richter weist ihn zurück: Den Angeklagten habe man auch in Ruhe angehört, nun sei die andere Seite dran, und ob das eine Show sei, werde das Gericht schon selbst herausfinden.

Elvira M. lernte Assad H. als Freier kennen – als Gast nahm sie ihn jedoch nicht an, weil er ihr so gut gefallen habe, fast sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie habe damals ohnehin an Ausstieg gedacht und nach der nächtlichen Arbeit tagsüber beim Otto-Versand gearbeitet. Assad H. verspricht, sich scheiden zu lassen und zieht bei ihr ein, berichtet Elvira M. Sie gibt die Prostitution auf und arbeitet in einem Imbiß. Eigentlich hätte sie von Sozialhilfe plus Imbiß gut leben können. Doch Assad habe vom eigenen Restaurant geträumt.

Schließlich beschließt das Paar, daß Elvira M. wieder als Callgirl arbeitet. Doch nach wenigen Wochen will Elvira M. nicht mehr: „Der Mann nutzte mich aus, seelischs moralisch, finanziell.“ Eigentlich habe er sie schon seit Jahren belogen mit seinen Versprechungen von Heirat und Kindern ... Dreimal ist Elvira M. in dieser Zeit schwanger geworden, Assad H. habe dann jedesmal doch wieder nicht gewollt. Nur mit seiner Ehefrau wollte er noch ein Kind, sagt die Zeugin bitter.

Nach ihrer Weigerung, sich zu prostituieren, habe er sie geschlagen und telefonisch mit Mord bedroht. Das bestätigt auch ein Freund, der zu dieser Zeit Nachtwache hielt in Elvira M.s Wohnung. Schließlich, sagt Elvira M., floh sie von Hamburg nach Bremen, um ein neues Leben anzufangen. „Sie sind also nach Bremen geflohen“, sagt der Richter, um der Schluchzenden wieder ins Gespräch zu helfen. Ein Fehler. Der Rechtsanwalt beantragt den Ausschluß des Richters wegen Befangenheit. Niemand habe bisher festgestellt, daß der Umzug der Elvira M. tatsächlich eine Flucht gewesen sei, sagt der Anwalt. Schließlich habe sein Mandant angegeben, auf Verlangen der Frau M. beim Umzug geholfen zu haben. Das Gericht habe aber offenbar schon entschieden, wem es glaube! Dabei sei die Glaubwürdigkeit der Hauptzeugin keineswegs bewiesen. Schon aus der Akte und jetzt auch hier zeige sich, daß die Zeugin eine hysterische Persönlichkeit sei. Über den Antrag auf Ausschluß des Richters wird in den nächsten Tagen entschieden. cis

* Name von der Redaktion geändert.