„Es war ihre Entscheidung“

■ Arantxa Sanchez-Vicario war noch eine Nummer zu gut für das neue 14jährige US-Tennis-Wunderkind Venus Williams

Berlin (taz) – Es ist noch gar nicht so lange her, da erzählte Richard Williams jedem, der es hören wollte, und das waren nicht wenige Journalisten, daß Eltern, die erlauben, daß ihre Kinder professionell Tennis spielen, „erschossen werden sollten“. Jetzt schwebt der Mann in akuter Lebensgefahr, denn seine Tochter Venus ist gerade mal 14 Jahre alt. Und seit Anfang dieser Woche Tennisprofi.

Auch ihrem Trainer Rick Macci, der als ehemaliger Coach von Jennifer Capriati Erfahrung hat mit Kinderstars, ist nicht ganz wohl bei der Sache: „Ich glaube nicht, daß Venus soweit ist, damit umzugehen, Profi zu sein. Ich glaube, keine 14jährige kann soweit sein. Aber sie ist spielerisch soweit.“ Wegen der bald in Kraft tretenden neuen Regeln, die erst 16jährigen die Teilnahme an WTA-Turnieren ermöglicht, riet Macci Vater Williams, seiner Tochter den Wechsel zu erlauben: „Wir können die Sache jetzt testen und uns dann immer noch entscheiden.“ Für den Teenager war die Entscheidung selbstverständlich. Schon seit drei Jahren spielt sie keine Jugend-Turniere mehr, weil sie sich unterfordert fühlt.

Daß sie spielen kann, bewies sie bei ihrem ersten Profi-Turnier. In Oakland geriet ihr erster Sieg gegen Shaun Stafford fast selbstverständlich, und in Runde zwei führte sie gegen die Weltranglistenzweite Arantxa Sanchez-Vicario bereits 6:2 und 3:1, nur um danach kein einziges Spiel mehr zu gewinnen.

Mit ihrem europäischen Pendant Martina Hingis ist sie allerdings kaum zu vergleichen. Während die noch eine Zahnspange über den Court trägt, sieht Williams mit ihren 1,84 Metern eher zehn Jahre älter aus. Und auch ihr kompromißloses Angriffsspiel mit ständigen Netzattacken ist weit moderner als das Grundlinienspiel der Schweizerin. Im Gegensatz zu Hingis, die in gutbürgerlichen Verhältnissen samt ehrgeiziger Mutter zum weißen Sport kam, wuchs Williams in East Compton, einem Ghetto in Los Angeles auf. Die Legende will es, daß sich Venus hin und wieder beim Training ducken mußte, um den herumschwirrenden Kugeln auszuweichen.

Die Reife seiner Tochter war der Hauptgrund, warum sich Vater Richard hat umstimmen lassen: „Es war ihre Entscheidung, jetzt schon Profi zu werden. Seit sie zwei Jahre alt ist, haben wir ihr beigebracht, Entscheidungen zu treffen. Ich bin gegen ihre Entscheidung, aber ich bewundere sie dafür.“ Oder war das väterliche Zieren womöglich nur ein Schachzug, um die öffentliche Meinung finanziell einträglicher zu gestalten?

Falls nichts aus der prognostizierten großen Karriere von Venus Williams wird, oder sie gar das Schicksal der „ausgebrannten“ Capriati, Andrea Jaeger oder Tracy Austin erleiden sollte, kann Väterchen Richard einen neuen Versuch starten. Die 13jährige Serena soll sogar noch talentierter sein als ihre Schwester. Sie wird aber – nach den kommenden Monat in Kraft tretenden, neuen Richtlinien – erst in drei Jahren Profi werden können. to

Oakland, 2. Runde: Huber - Mall 6:2, 4:6, 6:2; Sanchez-Vicario - Williams 2:6, 6:3, 6:0; Männer in Paris-Bercy, 2. Runde: Becker - Haarhuis 4:6, 6:3, 6:4; Martin - Steeb 6:3, 6:4; Bruguera - Karbacher 6:4, 6:3; Kafelnikow - Hlasek 6:3, 6:4; Krajicek - Furlan 6:3, 6:3, Woodforde - Courier 7:6 (7:3), 6:3; Chang - Wheaton 7:5, 6:4; Forget - Medwedew 6:4, 2:1 Aufgabe Medwedew, Achtelfinale: Bruguera - Woodforde 6:4, 6:4