Wie ökologisch ist „Natur“?

■ Umwelt- und hautfreundliche Textilien sind nicht immer leicht zu haben

„Schick“, dachte Angela Schneider und kaufte die schwarzen Samtleggings. Nach dem ersten Tragen bildeten sich rote Pusteln auf ihren Beinen. Gelöste Farbstoffpartikel hatten die Allergie ausgelöst, bestätigte ihr Hautarzt später. Doch Farbstoffe sind nur ein Teil der Chemikalien, mit denen Textilien behandelt sind. Gerade Allergiker kaufen immer mit Risiko, weil es bis heute keine Kennzeichnungspflicht für Chemikalien in Stoffen gibt. Ein Gesetzentwurf, der die Kennzeichnung häufig allergieauslösender Substanzen beinhaltete, wurde 1990 auf Druck der Textilindustrie wieder zurückgenommen.

Betrachten wir die Naturfaser Baumwolle. Sie hat auf ihrem Weg vom Strauch bis zur Bluse auf dem Kaufhausbügel bereits jede Menge chemischer Wechselbäder mitgemacht - von der Schädlingsbekämpfung über das sogenannte Entschlichten, mit dem das Garn glatt und fest gemacht wird, bis zum Färben mit Salzen, Säuren, Entschäumern und Verdickern. Das Vernetzen mit formaldehydhaltigen Kunstharzen macht das Bügeleisen überflüssig, das Hemd ist „pflegeleicht“, „bügelfrei“, „knitterfrei“, „knitterarm“, „wash and wear“, „hochveredelt“, „rapid iron“ oder „minicare“. Unter den Bezeichnungen „Santizied“, „Biogard“, „Actifresh“, „Durafresh“ und „Sanigard“ werden antimikrobiell „veredelte“ Socken und Unterwäsche gegen Geruch, Bakterien, Schimmel- und Fußpilze angeboten.

Zur Behandlung mit chemischen Substanzen gibt es Alternativen: Für Allergiker ist das Selberfärben mit Naturfarben eine gute Möglichkeit, solange die Farben keine Metallsalze als Beizmittel beinhalten. Gegen das Einlaufen wurde bereits 1929 eine schonendere Methode entwickelt: Hinter dem Markennamen „Sanfor“ verbirgt sich ein mechanisches Verfahren; die Gewebe sind etwa zehn Prozent teurer als normalbehandelte Stoffe. Allerdings: Das „Sanfor Set“-Verfahren gegen Einlaufen und Knittern benutzt als Vernetzer Ammoniak. Und die Verfahren „Sanfor plus“ oder „Sanfor plus 2“ haben eine chemische „pflegeleicht“-Ausrüstung und sind daher nicht besser als normale „pflegeleicht“-Textilien.

Einige Firmen haben inzwischen auf die Angst vor der Chemie reagiert: Esprit führt seit 1992 eine „Ecollection“, die auf Ökologie setzt und 10 bis 15 Prozent teurer als die normale Ware ist. Ebenfalls ökologisch ist Britta Steilmanns Kollektion „Awakenings“, die fast ausschließlich ungebleichte Rohware verwendet; Bennetton hat eine „Eco Basic“-Linie. Doch noch sind „Bio“ oder „Natur“ keine gesetzlich geschützten Begriffe, der „Arbeitskreis Naturtextil“, ein Zusammenschluß von Textilherstelllern, fordert daher, endlich einheitliche Richtlinien für Naturtextilien aufzustellen.

Auch das September-Heft von Öko Test beschäftigt sich mit diesem Thema. Dabei wurden die Shirts von „Awakenings“, „Esprit“, „Green Cotton“, „Bennetton“, „Cocon Commerz“ und „Nature Calling“ von Hennes und Mauritz als „empfehlenswert“ gewertet. Nur „eingeschränkt empfehlenswert“ war ein Hemd von Maria Giovanni aus dem „Hanfhaus“: Die Tester entdeckten erhöhte AOX-Werte, die auf halogenorganische Farbstoffe oder Bleichung mit Chlor hinweisen. Öko Test berücksichtigte nicht nur die chemische Belastung der Textilien, sondern auch den Anbau, die Wiederverwertung der Reststoffe, die Transportmittel und die Herstellungsländer.

In Hamburg gibt es folgende Geschäfte für Ökoklamotten : PUR PUR Wolle, Hellkamp 9; O'Well, Turnerstraße 14-16; Cocon Commerz, Schulterblatt 73, und balance, Collonaden 37. Der Greenpeace Umweltschutzverlag bietet ebenfalls unbehandelte T-Shirts an.

Schließlich noch einige Tips: Jedes Textil vor dem Tragen mindestens einmal waschen, Bademode ohne Plastik, Socken ohne Gummizug kaufen und, wenn Öko draufsteht, nach den Qualitätskriterien fragen. Stefanie von Drahten

Zum Weiterlesen: Öko Test, Heft 9, September 1994; Bernhard Rosenkranz/Edda Castello: „Textilien im Umwelttest“, rororo Sachbuch, 12,80 Mark.