Notopfer für Hafenerweiterung?

■ HSW-Kredit verlängert: Bis Altenwerder untergepflügt ist ...?

Der Stadtstaat Hamburg hat am späten Donnerstagabend seine Bürgschaften in Höhe von 184 Millionen Mark für die überschuldeten Hamburger Stahlwerke (HSW) um ein Jahr bis zum 31. 12.1995 verlängert. Nach einem heftigen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition gab die SPD-Mehrheit in der Kreditkommission der Bürgerschaft schließlich grünes Licht. Dabei weigerten sich die Senatsvertreter, allen voran das Dreigestirn von Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus, seinem Staatsrat Heinz Giszas und Finanzsenator Ortwin Runde, hartnäckig, den Parlamentariern reinen Wein in Sachen Stand Verkaufsverhandlungen der HSW einzuschenken.

Eines wurde immerhin deutlich: Die Verkaufsverhandlungen gestalten sich weiterhin mehr als schwierig. Das Interesse der Badischen Stahlwerke, die taz berichtete, ist inzwischen so erlahmt, daß die Wirtschaftsbehörde derzeit verzweifelt versucht, die HSW neuen Interessenten anzudrehen.

Dabei droht neues Ungemach: Die Europäische Union hat dieser Tage den europäischen Stahlkonzernen angedroht, ab 1. Januar 1995 die Importbeschränkungen für osteuropäischen Billigstahl aufzuheben, wenn die Stahlkartelle nicht endlich Kapazitäten stillegen. Gegen billigen Baustahl aus dem Osten hätten die angeschlagenen HSW kaum eine Überlebenschance.

Die Bürgschaften des Senats sind aber wohl auch ohne Oststahl futsch: Die EU-Kommission hat der Bundesregierung kürzlich auf Anfrage mitgeteilt, die Bürgschaften Hamburgs für die HSW wären spätestens dann rechtswidrig, wenn sie fällig würden. Im Klartext: Werden die Stahlwerke verkauft, müßten zuvor die Altschulden bei der Hamburger Landesbank getilgt werden. Da die HSW das nicht können, müßte der Senat zahlen – der Verstoß gegen die EU-Bestimmungen wäre perfekt. So werden die HSW überhaupt nur dann verkauft werden können, wenn sie zuvor Konkurs anmelden.

Angesichts der fast aussichtslosen Lage der Stahlwerke und der eh schon verlorenen Senatsgelder fragen sich polit-ökonomische Beobachter, warum die Stadt das HSW-Elend solange hinauszögert und dabei Gefahr läuft, immer noch mehr Geld zu verlieren? Die Antwort könnte, so meinen Insider, in den Hafenerweiterungsplänen in Altenwerder zu finden sein: Gehen die Stahlwerke den Bach hinunter, wird kaum ein Gericht einsehen, warum Enteignungen für neue Hafenflächen in Altenwerder stattfinden, wenn direkt gegenüber riesige Industriebrachen auf ihre Nutzung warten. Ähnliches gilt für die Krise der Hamburger Aluminiumwerke: Auch diese, den HSW direkt benachbart, stehen kurz vor dem Ende und haben sich intern längst darauf vorbereitet, in den nächsten Jahren, vielleicht schon Ende 1995, den Standort Hamburg endgültig aufzugeben.

Ziel des Senats, der wider alle Vernunft an seinem Projekt Altenwerder festhalten will, muß es deshalb sein, Alu- und Stahlwerke zumindest solange zu retten, bis die ersten Baggerschaufeln Altenwerder unterpflügen. Florian Marten