Abwassernetz muß modernisiert werden

8.500 Kilometer Kanalisation unter Berlin / Das Land gibt bis 2003 rund 10 Milliarden Mark für Wasser aus / Autoverkehr beschädigt die Rohre, von denen manche über hundert Jahre alt sind / Wassertarife werden verdoppelt  ■ Von Lars Klaaßen

Abwasser – damit will niemand etwas zu tun haben. Schlimm genug, wenn das Klo mal verstopft ist, aber was mit dem Flüssigmüll passiert, wenn er durchs Rohr verschwunden ist... Bäh! Dabei ist dieses Thema gerade in Deutschland sehr aktuell. Denn wenn die veralteten Abwassersysteme nicht auf Vordermann gebracht werden, haben wir unsere eigene Stinkbrühe bald am Hals.

Berlin steht dabei quantitativ ganz oben auf der Liste: 8.500 Kilometer Kanalisation durchziehen den Untergrund der Stadt. Etwa zehn Prozent der Leitungen haben einen Durchmesser von mehr als 40 Zentimetern und sind gemauert. Der Rest besteht aus Keramik oder Beton. Dazu kommen noch 900 Kilometer Druckrohrleitungen. Nicht genug damit, daß dieses umfangreiche System gewartet werden muß, es ist im Kern bereits seit 1887 in Betrieb. Dieses Alter erfordert entsprechende Pflege.

Eike Krüger von den Berliner Wasserbetrieben zum Prinzip der Berliner Abwasserentsorgung: „Die Kanalisation führt von den Häusern zu den geographischen Tiefpunkten der Stadt. Dort stehen 120 Pumpwerke, die das Abwasser über die Druckrohrleitungen zu den Klärwerken transportieren.“ Dies, so Krüger, werde als Radialsystem bezeichnet. Ursprünglich wurde das Wasser statt in Klärwerke auf Rieselfelder geleitet. An deren Anlage war noch Rudolf Virchow beteiligt. Erst 1920, mit der Gründung des sogenannten Groß-Berlin, wurde eine Modernisierung ins Auge gefaßt.

Neben dem Alter des Systems verursacht vor allem der stark angestiegene Autoverkehr Schäden an den Leitungen: Die Kraftfahrzeuge erschüttern nicht nur den Straßenbelag, sondern auch den Untergrund. Auch die Kriegsschäden sind nicht alle behoben.

Das Abwassersystem Berlins ist auch in den Jahrzehnten der Teilung eins geblieben. „Die Kanalisation konnte nicht einfach unterbrochen werden“, erläutert Krüger. „Außerdem reichten die Kapazitäten der Klärwerke im Westteil der Stadt nicht aus.“ Aus diesen Gründen hat man in Berlin auch während des Kalten Krieges in Sachen Abwasser miteinander gesprochen.

Das technische Prinzip ist in den Stadthälften also nach wie vor das gleiche. Gravierende Unterschiede bestehen allerdings im Zustand des Netzes: „Während im Westen etwa 7 Prozent erneuert werden müssen, sind im Osten rund 25 Prozent des Systems marode“, so Krüger.

Der Sanierungsbedarf im Ab- und Trinkwasserbereich läßt die Investitionen in die Höhe schnellen: Während 1993 rund 1,1 Milliarden Mark ausgegeben wurden, sind es in diesem Jahr vermutlich über 1,5 Milliarden. In den nächsten beiden Jahren schätzt Krüger die Investitionen auf je zwei Milliarden Mark. Bis zum Jahre 2003 werden die Berliner Wasserbetriebe etwa zehn Milliarden Mark brauchen. Diese Kosten werden allein von Berlin getragen.

„Das ginge auch billiger“, behauptet Hartwig Berger, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Das Haushaltsgebaren der Wasserbetriebe kann politisch zwar nicht mehr kontrolliert werden, aber wir sind sicher, daß vieles effektiver gemacht werden könnte.“

Die Investitionen haben Folgen für die Verbraucher: Zum 1. Januar 1995 wird die erste Tariferhöhung fällig. 1996 wird voraussichtlich eine weitere folgen. „Für diese Erhöhung können wir allerdings nichts“, betont Günther Rudolf, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe. „Die Senatsverwaltung erhöht die Grundwasserentnahme-Entgelte, die legen wir bloß auf unsere Kunden um.“ Bis zum Jahr 2000, schätzt Rudolf, werden die Tarife sich verdoppeln. Die derzeit 3,30 Mark pro Kubikmeter Abwasser kosten in sechs Jahren demnach 6,60 Mark.

Die Grünen fordern eine vierte Klärstufe

„Im Rahmen der Erweiterung des Kanalsystems geht es nicht zuletzt darum, die Wasserschutzzonen Berlins zu kanalisieren“, umreißt Krüger die Aufgaben der Wasserbetriebe. Doch auch die Abwasserpumpwerke müssen zum Teil ersetzt beziehungsweise gleich neu gebaut werden. Ein weiteres Problem: Die Reinigungsleistung der Klärwerke im Osten Berlins entspricht meist nicht den gesetzlichen Vorlagen. Insbesondere die Stickstoff- und Phosphorwerte sind nicht ausreichend.

Berger kritisiert: „Die Wasserbetriebe vertrösten damit auf das Jahr 2005.“ Die dritte Klärstufe könne jedoch schon 1998 Realität werden. Die Grünen fordern sogar, eine vierte Klärstufe in Angriff zu nehmen. Damit könnten auch Bakterien gefiltert werden. Die Senatsverwaltung mache hier allerdings nicht genügend Druck, ärgert sich der umweltpolitische Sprecher. Auch fordert er die Zweckbindung der Grundwasserentnahme-Gebühren: „Damit könnten die alten Rieselfelder dekontaminiert werden, um beispielsweise das Regenwasser dort hinzuleiten“, schlägt der Sprecher vor. Dies entlaste Kanalisation und Klärwerke, da das Regenwasser nicht unbedingt dorthin geleitet werden müsse.

Das größte Bauprojekt im Rahmen der Berliner Wasserwirtschaft steht in Waßmannsdorf: Das dortige Klärwerk wird für rund eine Milliarde Mark erweitert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Wenn es fertiggestellt ist, soll seine Kapazität dem des Werkes in Ruhleben entsprechen. Dort steht das derzeit größte Klärwerk. Laut Krüger ist das ein Schritt, um sowohl die Qualität als auch die Kapazitäten den Berliner Bedürfnissen anzugleichen.