Ein Flughafen-Moloch?

■ Flughafen Holding auf dem Höhenflug zum Super-Airport / Planungsverfahren sollen schnell durchgepeitscht werden

Gut eine Woche vor der Standortentscheidung des brandenburgischen Umweltministeriums zum geplanten Flughafen „Berlin Brandenburg International“ startet die Flughafen Holding noch einmal kräftig durch. Egal, ob der zukünftige Airport in Jüterbog-Ost, Sperenberg oder Schönefeld-Süd liegen wird, die Wachstumsprognosen der Holding klingen so euphorisch, als liege Berlin in Nachbarschaft zu Hongkong, New York oder Rio. Ein Großflughafen sei nötig, glaubt Manfred Hölzel, Geschäftsführer der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF), wachse doch der Anteil der Fluggäste von derzeit rund 10 Millionen Passagiere jährlich auf 25 bis 30 Millionen im Jahr 2005.

Auch die Gütertransporte würden von derzeit rund 20.000 Tonnen pro Jahr auf eine Million steigen, meint Hölzel. Darum müsse sich der Flächenbedarf von 2.000 auf 3.000 Hektar ausdehnen, damit circa 120.000 Arbeitsplätze am neuen Airport angesiedelt werden können. Ein Flughafenmoloch? „Alles andere bleibt Provinz“, sagt Hölzel. „Wir wollen das Drehkreuz Berlin und den 24-Stunden- Betrieb.“ In der harten Konkurrenz des europäischen Binnenmarkts könne man nur mit solchen Betriebszeiten bestehen.

Unter der Bedingung, daß der Großflughafen gebaut würde, stünde aus BBF-Sicht der Schließung der drei bestehenden Flughäfen in Tegel, Tempelhof und Schönefeld (Nord) nichts im Wege. Tatsächlich hat Tempelhof in den ersten drei Quartalen 1994 ein Minus von 9,5 Prozent im Vergleich zu 1993 eingeflogen. Tegel konnte seine Marktanteile kaum steigern. Einzig Schönefeld boomt mit 15 Prozent Wachstum. Manfred Hölzel ist davon überzeugt, daß weder alle drei Flughäfen zusammen sich „rechnen“ noch ein neuer Großflughafen neben Tegel bestehen könnte. „Dem neuen Airport fehlen dann acht Millionen Tegel-Passagiere.“

Der neue Großflughafen soll nicht nur gänzlich von privaten Investoren, sondern auch so schnell wie möglich gebaut werden. Noch im Dezember will der Aufsichtsrat über den Potsdamer Raumordnungsbeschluß beraten, die Standortfrage entscheiden und bis Ende 1995 das Planfeststellungsverfahren mit vier Start- und Landebahnen durchpeitschen. Grund für die Planungshetzerei ist das Auslaufen des Baubeschleunigungsgesetzes am 31. 12. 1995. Allen Erfahrungen mit Protesten und Klagen, Umweltschutzmaßnahmen und politischen und baulichen Neuplanungen zum Trotz glaubt Hölzel, im Jahr 2004 den Flugbetrieb aufnehmen zu können.

Natürlich hat die BBF ausgelotet, wo die jeweiligen Standort- und Finanzierungsvorteile in Jüterbog-Ost, Sperenberg oder Schönefeld-Süd liegen. Im Unterschied zu den Wünschen einiger Industrieverbände und dem brandenburgischen Konzept der „dezentralen Konzentration“, das die Stärkung der Wirtschaft in der weiteren Region Berlins favorisiert, könnten sich Jüterbog-Ost und Sperenberg für die BBF als Milliardengräber erweisen. Allein der mit militärischen Altlasten metertief verseuchte Boden, der für viel Geld ausgetauscht werden müßte, bedeute, daß Schönefeld-Süd der „günstigere Standort“ sei, so Ulrich Schindler, Projektplaner bei der Flughafen Holding. Hinzu käme, daß die ökologischen und landwirtschaftlichen Ressourcen dieser Gebiete mit Infrastruktureinrichtungen erst recht beschädigt werden könnten.

Dagegen wiegen die Probleme der Umwelt- und Lärmbelastungen in Schönefeld-Süd aus Sicht der BBF weitaus geringer. Dennoch will sich die Flughafen Holding nicht auf kleinere Wachstumserwartungen und Alternativen in der Personenbeförderung einlassen. Sie möchte kein integriertes Flug-Schienen-Konzept, wie Verkehrsexperten fordern, und auch keinen schrittweisen Ausbau von Schönefeld, sondern nur den Höhenflug. Ikarus ist dabei abgestürzt. Rolf Lautenschläger