■ Bücher.klein: PKK
Zwar haben früher schon andere Befreiungsbewegungen oder Guerillaorganisationen die Bundesrepublik als Rückzugsraum genutzt – von der algerischen FLN über iranische Oppositionsgruppen gegen den Schah bis hin zu diversen Palästinensergruppen –, noch nie aber hatte eine Guerillaorganisation in Deutschland einen so großen Rückhalt in der Bevölkerung wie die PKK. Von den rund 500.000 Kurden, die hier leben, sollen nach Angaben der Organisation gut die Hälfte die PKK unterstützen. Allein das macht sie zu einem ernstzunehmenden Faktor, der stärker als bislang in die öffentliche politische Debatte gehört.
Als Material für eine solche Diskussion ist jetzt ein Buch erschienen, das besser ist, als sein Titel zunächst glauben macht. „Endkampf um Kurdistan?“ ist kein Landserstück aus der Schreibmaschine irgendeines Geheimdienstexperten, sondern eine brauchbare Einführung in die Situation in Türkisch-Kurdistan, die Entstehung und Organisationsform der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die Verschränkung zwischen der türkischen Kurdenpolitik und den Aktivitäten der PKK in Deutschland. Dabei liegt die Betonung allerdings auf Einführung. Das betrifft vor allem die Entstehungsgeschichte der PKK und die Haltung der linken türkischen Opposition, deren Ignoranz erst die Karriere Abdullah Öcalans als Chef einer originär kurdischen Organisation im Umfeld der maoistischen Szene möglich machte. Eine Analyse des Kemalismus, der politisch für das Versagen der türkischen Linken und vor allem der Sozialdemokratie in der kurdischen Frage ursächlich ist, fehlt dann aber. Deshalb bleibt das Buch auch bei der Frage, woran eine politische Lösung in Ankara eigentlich scheitert, sehr oberflächlich. Auch die Beschreibung der deutsch-türkischen Zusammenarbeit ist eher kursorisch. Besonders eine Einschätzung des Charakters der kurdischen Befreiungsbewegung PKK bleibt in dem Buch sehr vage. Herrscht Abdullah Öcalan in seiner Truppe nun wie ein kleiner Pol Pot, wie etliche seiner Kritiker behaupten? Und ist die PKK eigentlich eine linke oder vor allem eine nationalistische Organisation? Eine Frage, die für die Einschätzung ihrer künftigen Rolle in der Türkei wie in Deutschland nicht unwichtig ist.
Trotz der vielen offenen Fragen kann das Buch aber eine wichtige Funktion erfüllen. All denjenigen, die sich unter dem Kürzel PKK bislang nichts anderes vorstellen konnten als eine offenbar obskure ausländische Organisation, die deutsche Autobahnen blockiert und deren Mitglieder deshalb abgeschoben werden sollen, vermittelt Gottfried Stein eine kurze, leicht zu lesende Einführung ins Thema. Jürgen Gottschlich
Gottfried Stein: „Endkampf um Kurdistan?“. Bonn Aktuell, 220 S., 32,50 DM
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