■ Das Portrait
: Vinko Puljić

Der Kardinal aus Sarajevo Foto: Reuter

Selbst seine engste Umgebung war überrascht, als der päpstliche Abgesandte am letzten Wochenende die Botschaft des Papstes überbrachte: Vinko Puljić, der bisherige Erzbischof von Sarajevo, werde in den Kardinalsrang erhoben. Dieser Umstand ist nicht nur für die Katholiken Bosnien-Herzegowinas von großer Bedeutung, er stellt einen politisch hochbrisanten Vorgang dar. Denn der 1945 im nordbosnischen Banja Luka geborene Priester hat sich als unbeugsamer Verteidiger der bosnischen Identität erwiesen. Immer wieder fordert Puljić, das Erbe der in Sarajevo und auch bei den zentralbosnischen Katholiken verwurzelten Toleranz gerade wegen des Krieges zu retten.

Besucher sind oft überrascht, welche eindringliche Kraft von dem kleinwüchsigen Mann ausgeht. Daß Puljić über jenes verbindliche und etwas starre Lächeln verfügt, das bei vielen Priestern seiner Kirche anzutreffen ist, mag bei manchen Nichtkatholiken irritierend wirken. Die Taten des frisch ernannten Kardinals jedoch können sich sehen lassen.

Schon vor Beginn des Krieges sprach Puljić sich entschieden gegen die nationalistischen Strömungen und Parteien aus. Zusammen mit Autoritäten der anderen Religionsgemeinschaften in Bosnien, vor allem mit denen der Muslime, versuchte er die intolerante Stimmung, die ab 1991 von Extremisten erzeugt wurde, abzudämpfen. Immer sprach sich Puljić eindeutig gegen eine Aufteilung der Republik zwischen Serbien und Kroatien aus. Das bedeutsamste Datum war dabei die „Bosnische Versammlung“ vom Oktober 1993, auf der er und andere Kirchenvertreter den Vance- Owen-Teilungsplan ablehnten. Der berühmte Brief des Zagreber Kardinals Franjo Kuharić an Mate Boban vom Mai 1993, in dem der kroatische Extremistenführer scharf für den Krieg der HVO-Miliz gegen die bosnische Armee kritisiert wurde, war mit Puljić abgestimmt. Und daß der Papst Anfang September 1994 zuerst Sarajevo und dann erst die kroatische Hauptstadt Zagreb besuchen sollte, war ebenfalls kein Zufall.

Mit der Erhebung des Erzbischofs zum Kardinal hat der Papst nun kirchenrechtlich die Eigenständigkeit der bosnischen Katholiken gegenüber den Katholiken Kroatiens betont. Der Akt bedeutet somit eine Stärkung der bosnischen Eigenstaatlichkeit – und eine Aufforderung an die anderen Religionsgemeinschaften, die bosnische Identität zu wahren. Erich Rathfelder