Der Deutschen Kleider in Afrika

Altkleider-Exporte bedrohen die afrikanische Textilindustrie / Karitative Kleidersammler werden sich erst langsam des Problems bewußt  ■ Von Thomas Mösch

Riesige Rollen weißen Baumwollstoffes rotieren, das Tuch verschwindet in großen Maschinen, wird über zahlreiche Rollen geführt. Am Ende ist der Stoff in den buntesten Farben bedruckt. Das Unternehmen „Cotonnière Industrielle du Cameroun“ in Kameruns Wirtschaftszentrum Duala, kurz CICAM, ist mittlerweile der einzige Textilproduzent in Zentralafrika. Die Luft für derartige Unternehmen ist dünn geworden. Auch die CICAM hält sich nur noch durch deutsche und französische Kapitalspritzen über Wasser. Von 2.400 Arbeitern im Jahr 1988 sind heute nur noch die Hälfte dabei. Gründe dafür gibt es mehrere. Jahrelang machte es der überbewertete CFA-Franc den ehemals französisch kolonisierten Staaten West- und Zentralafrikas schwer, mit ihren relativ zu teuren Produkten auf dem Weltmarkt zu bestehen. Hinzu kam, daß billige Schmuggelware vor allem aus Nigeria den eigenen Markt überschwemmte. Eine galoppierende Wirtschaftskrise in ganz Westafrika machte auch die traditionellen Exportmärkte in den anderen CFA-Ländern kaputt. Anfang des Jahres wurde der CFA-Franc um die Hälfte abgewertet. Das hat zwar einerseits die Exportchancen verbessert, dafür aber die Kaufkraft in den betroffenen Ländern erheblich geschwächt.

Die Produktionsanlagen sind außerdem hoffnungslos veraltet. Die Baumwollspinnerei der CICAM im Norden Kameruns besitzt nur einen hochmodernen Webstuhl, ansonsten rattern in den Hallen zum Teil jahrzehntealte Maschinen, der größte Teil allerdings steht ganz still.

Am schlimmsten für die CICAM ist allerdings der Import von Altkleidern. Seit Präsident Paul Biya vor drei Jahren die Einfuhr legalisierte, hat sich das Erscheinungsbild von Kameruns Innenstädten verändert. Jeder freie Quadratzentimeter auf den Bürgersteigen wird von Altkleiderhändlern eingenommen. Die Boutiquen dagegen sind leer. Neuwaren kann sich kaum noch jemand leisten: Ein Oberhemd durchschnittlicher Qualität kostet um die 100 Mark. Die vielen Schneider, die die einheimischen Stoffe verarbeiten, haben kaum noch Arbeit.

Die Gebrauchtware kommt vor allem aus den USA und Europa, teilweise auf dem Umweg über andere afrikanische Länder. Die Kleider stammen in der Regel aus Straßensammlungen, von Menschen die glauben, damit etwas Gutes zu tun. In Deutschland sind es hauptsächlich karitative Organisationen, die Altkleider sammeln. Die größte davon ist das Deutsche Rote Kreuz. Von den schätzungsweise 300.000 Tonnen Alttextilien, die in Deutschland jährlich auf der Straße landen, erhält das DRK allein fast ein Drittel. Daraus ergeben sich, so der DRK-Altkleider- Experte Uwe Schwarz, Einnahmen von 28 Millionen Mark.

Die Einnahmen stammen aus dem Verkauf an kommerzielle Weiterverarbeiter. Nicht mehr als 20 Prozent des Sammelgutes landen in den 1.113 Kleiderkammern oder in Flüchtlingslagern. Das Gros kaufen zur Zeit fünf Altstoffhändler für rund 600 Mark pro Tonne; die sortieren die Ware. Ein Teil wird danach zu Putzlumpen oder Isolierstoffen recycelt. Der Rest geht in den Export.

Etwas Licht in die Sache bringt eine vor einem halben Jahr erschienene Broschüre des Instituts für Ökonomie und Ökumene „Südwind“. Demnach expandiert der weltweite Altkleidermarkt weiter stark. Das liegt zum einen am Angebot: Die Menschen in den Konsumgesellschaften des Westens kaufen immer mehr Kleidung, immer häufiger müssen die Schränke ausgemistet werden. Die Deutschen sind zusammen mit den NordamerikanerInnen Weltmeister im Kleiderverbrauch: 10 bis 13 Kilo pro Kopf und Jahr.

Andererseits wachsen die Absatzmärkte. In Afrika greifen wegen der sinkenden Einkommen immer mehr Menschen zu Secondhandware. Einen regelrechten Sog übt derzeit Osteuropa aus, berichtet Südwind-Mitarbeiter Friedel Hütz. Da werden dann nicht unerhebliche Mengen an staatlichen Verboten vorbeigeschleust. Immer wieder tauchen auf dem deutschen Markt Aufkäufer auf, die bis zu 800 Mark für eine Tonne unsortierter Altkleider bieten.

Einige der karitativen Sammelorganisationen sind sich der Probleme mittlerweile bewußt. Sie sind auf Einladung von Südwind in einen Dialog über Alternativen getreten. Zunächst wollen sie nur noch mit Firmen zusammenarbeiten, die nicht illegal exportieren. Allerdings, sagt Hütz, müsse das Problem eigentlich an der Wurzel gepackt werden: „Das bedeutet Konsumverzicht und ein ökologischer Blick beim Kleiderkauf.“ Mischfasern und mit der chemischen Keule behandelte Stoffe etwa sind kaum zu recyclen.

Dem Kleiderrecycling widmet sich inzwischen vor allem der RWE-Konzern. Der hat in den letzten Jahren bereits zahlreiche Sammelfirmen aufgekauft und bastelt zur Zeit an einem umfassenden Recycling-Konzept. Möglicher Hintergrund: Ein Kreislaufwirtschaftsgesetz für Textilien könnte den lukrativen Export schon bald erschweren. RWE hätte dann die nötigen Kapazitäten, der Mittelstand müßte in die Röhre gucken.

Die Broschüre „Der Deutschen alte Kleider“ ist zu beziehen bei: Südwind e.V., Lindenstr. 58–60, 53721 Siegburg, Preis: 9 DM.