■ Ökolumne
: Schröderismus Von Thomas Worm

Die Effizienzrevolution ist ein gespaltener Arsch. So griffig drückt es jedenfalls Stefan Zundel aus. Was als sinnlich-derbe Metapher vom Leiter des Berliner Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung ausgesprochen wird, soll einen Zwiespalt illustrieren: Einerseits sind Energiesparen und hohe Recyclingquoten ökologisch wünschenswert, andererseits kommt ausgerechnet durch gesteigerte Umwelteffizienz am Ende ein problematischer Wachstumsschub heraus. Beispiel Elektroindustrie. Der Markt für Haushaltsgeräte wie Kühlschränke war zu Anfang der 90er weitgehend gesättigt. Doch dann setzte „Greenfreeze“ vom ostdeutschen Hersteller Foron neue Maßstäbe für umweltbewußtes Konsumverhalten. Die Industrie erkannte die Gunst der Stunde und warf flugs eine neue Generation von energiesparenden Öko-Coolern ohne Klimakiller auf den Markt. Inwieweit durch Neukäufe aber letztlich die Stoff- und Energiekreisläufe angekurbelt werden, hat noch niemand genau untersucht.

Die Effizienzrevolution ist in. Ihr Credo: Laßt uns sparen, auf daß wir uns allzu grobe Einschnitte im Lebenswandel ersparen! In diesem Gedanken liegt eine zuckersüße Verführung für alle protestantisch gefärbten Geister, die da meinen, vor allem vom Sparen käme der selig machende Gewinn. Sparen kostet ja nichts. Überzeugend. Auch für viele Aktivisten aus der Öko-Szene. Sie geraten in Gefahr, die Rolle von reinen Industriemodernisierern zu übernehmen – sparsamer, intelligenter, marktkonformer. Jedoch reicht es nicht hin, nur die grünen Cleverles zu markieren. Der konsensfähig daherkommende „Schröderismus“ etwa steht für Innovationsstrategien, die unter dem Strich ökologisch kontraproduktiv wirken. SPD-Mann Schröders Vorschlag einer Abwrackprämie für besonders benzindurstige Limousinen, die den Absatz von etwas sparsameren Spritsäufern in Fahrt bringen soll, bedeutet: Noch mehr frisch lackiertes Blech auf Deutschlands Straßen, unter zusätzlichem Energie- und Materialaufwand produziert, den der angepeilte Einspareffekt nicht aufwiegen kann. Währenddessen rotiert das Produktkarussell immer schneller. Soll das Ziel naturfreundlichen Wirtschaftens darin bestehen, daß deutsche Automobilkonzerne bald wie die Japaner im Zweijahresrhythmus neue „Sparzeuge“ anbieten statt dafür wie derzeit sieben Jahre zu benötigen?

Die Effizienzrevolution ist nur ein Beginn. Sie liefert oft nicht mehr als das sanfte Zweitangebot fürs Öko-Gewissen. So bleibt das „papierlose Büro“ im stoffarmen Computerzeitalter eine Illusion – nie zuvor verhunzten Schreibtischtäter dermaßen viele Blätter. Abfallose Digitalfilme und Silberbromid-Streifen. Fahrräder und Motorkarossen, Pfandflaschen und Aludosen. Fast nirgends ersetzt das energie- und stoffsparende Produkt die Schmutzware, es kommt lediglich als weitere Konsummöglichkeit ins Angebot.

Die Effizienzrevolution ist unumgänglich. Kein Zweifel. Nur über sie erschließen sich jene technischen und organisatorischen Reservoire fürs 21. Jahrhundert, die das Überleben von sieben oder zehn Milliarden Menschen sichern könnten.

Aber die Effizienzrevolution bietet für sich genommen keine Lösung – allenfalls eine Chance. Würde heute der weltweite Energiekonsum schlagartig um die Hälfte gedrosselt, dann wären bei nur zwei Prozent Jahreswachstum des globalen Energieverbrauchs binnen drei Jahrzehnten wieder 90 Prozent des jetzigen Niveaus erreicht. Damit allein hätte man der Wirtschaft nur eine umweltneutrale Wachstumsrunde verschafft. Und den häßlich großen Knacks für eine Weile aufgespart.

Wenn sich das Ganze nicht gleichzeitig Richtung Sustainability bewegt, hin zur erdverträglichen Lebensart, macht die Effizienzrevolution keinen Sinn. Dazu bedürfte es aber eines Konsenses darüber, was Sustainability, also Nachhaltigkeit eigentlich ist. Diese Debatte nun müßte die inzwischen atomisierte Avantgarde der Umweltbewegten in Medien, Instituten, Parlamenten, Kanzleien und Verbänden vorantreiben, statt sich auf die Rolle der radikalen Modernisierer und Sparkommissare zu beschränken. Freilich, ein Unwort wie „Nachhaltigkeit“ rutscht einem schwerlich über die Diskutantenzunge. Deshalb: Wer erfindet einen wohlklingenderen Namen? Süffig und nachhaltig populär wie beispielsweise ... Coca-Cola.