Geschmäcklerisches Ebenmaß

■ Kampnagel: Compagnie Muriel Bader mit „Les Colonnades“

Ein Flamenco-Auftakt zu Bizets Carmen zurrt den Spannungsbogen fest. Ein Tanzpaar aus der Compagnie Muriel Bader eröffnet damit das „Physical Theatre“ Les Colonnades. Der angedeutete Raum ist in seiner Sparsamkeit fast durchsichtig, aber Leidenschaft benötigt eben keine Accessoires, sie äußert sich in der Bewegung.

Gespannt erwartet das Publikum die Bestimmung und Gestaltung des Ortes, der Zeit, der Emotionen. Ein Raum öffnet sich, ein Foyer vielleicht, eine Halle, ein Hotel irgendwo an einer Küste vielleicht, in der Zwischensaison, der Saison morte?

Die Saison für die Unzeitgemäßen, in der nicht nur das Licht filigraner, die Zeit schleppender ist, auch die Gefühle sind geschmäcklerischer. Der ideale Ort, aus dem leidenschaftlichen Auftakt die einzelnen Sequenzen feinsinniger menschlicher Begegnungen auszutanzen: unbestimmbare Sehnsucht wie auch Einsamkeit, Zweifel, Angst.

Doch bereits im ersten Takt bricht die Spannung ab. Das Solo der Sehnsucht steckt fest in immer gleichen Bewegungsabläufen – hingeworfen – hochgezogen, hingeworfen – hochgezogen... Die Angst wird in Patterns frühkindlicher Krümmungen wiederholt, bis sie langweilt. Demütigungen geraten zu Fallübungen.

Es scheint, als ob der Tanz kein böses Gesicht haben könne. Mit etwas mehr Mut zur feigen Bewegung und zur häßlichen Ohnmacht hätte Muriel Bader die fünf Tänzer und Tänzerinnen den Ort und die Zeit verdichten lassen können. Die zugrundegelegten Texte von Maguerite Duras verlangen nicht nach solcher Ebenmäßigkeit um nicht zu sagen Monotonie. Lediglich in den skurril absurden Szenen wird der Vielfalt mimischer und gestischer Krummheit freien Lauf gelassen.

Die drei Tänzerinnen aus der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden und die beiden Tänzer aus Polen und Frankreich hätten es verdient auch in den quälenden und atemlosen Passagen aus ihren engen Mustern ausbrechen zu dürfen und den Bogen über den Zweifel zur Angst zum Schmerz zur Verzweiflung auszutanzen. Es mißlang aus mangelndem Mut, vielleicht das Resultat einer Fixierung auf Perfektion.

Elsa Freese

Noch zu sehen vom 8.-10.11., 19.30 Uhr, K 1