Schlappkick als Sportereignis

Duisburg beendet mit dem 1:1 bei 1860 München seine Niederlagenserie, und Hannes Bongartz ist ungeschlagen und deshalb optimistisch  ■ Aus München Gerhard Pfeil

Manchmal ist es gar nicht so einfach, bei einem Fußballspiel die lichten Momente zu orten. Was die Bundesliga-Partie zwischen dem TSV 1860 München und dem MSV Duisburg betrifft, wenden wir uns aus Mangel an sportiven Freuden deswegen zunächst dem Geschehen außerhalb des Rasengevierts zu. Zu berichten ist zum Beispiel von dem Novum, daß Buchmacher im fernen Österreich erstmals in dieser Saison Aufsteiger 1860 als Wett-Favoriten handelten. Ferner gilt zu kolportieren, daß es durchaus hoffnungsfrohe Menschen gibt bei 1860: auf einen 5:0-Sieg gegen Duisburg tippten die Blattmacher des Fanzines „LöwenZahn“ bescheiden. Respekt.

Nun aber Schluß mit lustig. Oder? Ach so, Moment, einen haben wir noch: das Tor für 1860. Ja, ja, Unglaubliches geschah, und zwar wie folgt: Durchs Mittelfeld eilte Kapitän Manfred Schwabl im Sauseschritt, ein feiner Paß auf Bernhard Winkler, der mit der Hacke zu Piotr Nowak, abermals direkt flog der Ball ideal in den Lauf von Jens Dowe, der die famose Kombination mit dem 1:0 (10.) abschloß. Was für ein Tor.

Was für ein Nachmittag. Der Himmel über München blau, das Grünwalder Stadion voll und 1860 in Spiellaune. Denkste. Vorbei war es mit dem Festtag kurz nach der verheißungsvollen Ouvertüre, eines Gegurkes der übleren Sorte wurden 28.000 Zuschauer im ausverkauften Stadion an der Grünwalder Straße ansichtig. Und obschon Bundesligatrainer ja doch einer gewissen Routine teilhaftig sind, jeden Schlappkick zum Sportereignis der höheren Güte emporzufabulieren, mochte in diesem speziellen Fall auch MSV-Coach Hannes Bongartz nichts mehr einfallen. „Ich denke mal, das Wichtigste war, daß wir nach dem 0:1 nicht zusammengebrochen sind und weiter diszipliniert im Abwehrverhalten waren“, begann er seine Suche nach den positiven Momenten ungewohnt zurückzuhalten. Vielleicht lag's ja daran, daß er die letzten acht Monate auf seinem Bauernhof verbracht hat. Immerhin entdeckte er sogleich eine Serie, die die Duisburger auch bitter nötig haben: „Sagen wir es einfach so: Ich bin mit Duisburg noch ungeschlagen, das ist doch schon was.“

Da hat er recht. Neunmal in Folge verloren die Ruhrpottler zuletzt unter Bongartz' Vorgänger Ewald Lienen, obgleich das Team bisweilen passabel Fußball spielte. Viel schuften für wenige Punkte, so schien die Devise beim MSV von ehedem, mit Bongartz nun scheint die Phase des kühlen Ertragsdenkens zurückgekommen. Einmal nur gelangte Duisburg vor das 1860-Tor, einmal köpfte Alfred Nijhuis freigespielt von Kollege Rainer Schütterle, da fiel das 1:1 (31.). Den restlichen Arbeitstag hätte sich Sechzig-Keeper Bernd Meier sorglos eine Hängematte knüpfen können, weil der MSV jeden Versuch des Offensivspiels spätestens an der Mittellinie abbrach, was bei einigen der Beteiligten durchaus auf Verständnis stieß. „Die sind Letzter“, sprach 1860-Angreifer Pacult, „die dürfen sich mit zehn Mann hinten rein stellen“, außerdem, fiel Löwen- Kapitän Manfred Schwabl ein, „nennt man sowas Effizienz, und deshalb: Hut ab.“

Leider nennt man sowas aber nicht Fußball. Und weil 1860 ebensowenig beseelten Ballsport bot wie die Gäste, wurde der Tag fürs Auditorium eher zum Ärgernis. Lediglich den 1860-Mittelfeldspielern Miroslav Stevic und Piotr Nowak gelang noch einmal, daß unselige Gewürge vermittels zweier Torschüsse aus jeweils stattlicher Distanz (70., 81.) der kompletten Belanglosigkeit zu entreißen, was Dribbelzwerg Schwabl schon ein Zeichen war. „Heute“, resümierte er, „haben wir gezeigt, daß wir Fußball spielen können.“

Wer's glaubt, wird Profi. Oder Trainer bei 1860. Werner Lorant jedenfalls empfand das Gebotene routiniert als zeitweise „hervorragend“ und blickte trotz des Punktverlustes gar nicht verdrossen drein, „weil man manchmal auch mit einem Punkt zufrieden sein muß“, wie er meinte. Und so wippte er vergnüglich bei der Nachbetrachtung des Spiels in seinem Sessel, ließ sich verbal herzen von seinem alten Kumpel Bongartz („Na, du alter Texascowboy, hau rein!“) und verzog auch keine Miene, als der „liebe Hannes“ die Qualität des Kicks („Schade für die Zuschauer“) sowie die rüde Gangart der Sechziger zu Beginn des Spiels tadelte, die MSV-Kapitän Weidemann schon in der 8. Minute nach einem Foul von Ralf Strogies immerhin eine schwere Bänderdehnung eintrug. So sei das eben im Abstiegskampf, ließ Lorant wissen und überhaupt: „Bei mir sind Tätlichkeiten Platzwunden.“

Insofern ist ja alles gutgegangen. Und solange es Menschen gibt, die noch Hoffnung im Herzen tragen, fügt sich vielleicht doch noch alles zum Guten. Nächste Woche spielt 1860 beim HSV. Die Blattmacher der Fanpostille LöwenZahn haben ein fröhliches 3:3 getippt. Allein die Buchmacher aus Österreich werden es vermutlich anders sehen.

MSV Duisburg: Gehrke - Westerbeek - Hopp, Nijhuis - Osthoff, Ljung (90. Jasarevic), Steininger, Schwarz, Schütterle - Weidemann (8. Krohm), Közle

Zuschauer: 28.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Dowe (8.Min.), 1:1 Nijhuis (30.)

TSV 1860 München: Maier - Yanyali - Kutschera, Strogies - Störzenhofecker, Stevic, Schwabl, Nowak, Dowe - Bodden (73. Pacult), Winkler