Wo der Hammer wirklich hängt

■ betr.: „Sturz im Badezimmer“ (Gegenrede zum Papst-Buch), taz vom 29. 10. 94

[...] Wenn Jesus seine Selbstopferung abgesprochen wird, wird er für jene, die in der Selbstaufgabe den Schlüssel zur Erringung göttlicher Macht sehen, notwendig depotenziert. Deren Drängen, daß es nötig gewesen sei, daß Jesus sich opferte, ist bloß ein innerpsychisches, sadomasochistisches Arrangement. Dieses sind aber die Gegenspieler, die sich Frau Ranke- Heinemann erwählt hat, wenn sie die Selbsthingabe Jesu nicht bestehen läßt und sie zum beliebigen Schicksal, dessen einzig wichtige Bestimmungsgröße die Staatswillkür darstellt, umdeutet. Unübersehbar ist die laue sozialdemokratische Virtual Reality, mit ihrer öden und unwahren Vorannahme, daß alles zum besten bestellt sei, wenn es bloß die Kapitalisten – oder für den vorliegenden Sachverhalt zutreffender: die Patriarchen – nicht gäbe. Dann wäre Jesus nicht am Kreuz gestorben, in der Arena würden keine Stiere mehr getötet und Thelma und Louise wären bis nach Mexiko durchgekommen. Nur: in dieses langweilige Scheingefecht zwischen „Mächtigen“ und „Ohnmächtigen“ verwickelt (was dann lächerlicherweise tatsächlich „Opfer“ fordern mag), entgeht den Kombattanten, wo der Hammer wirklich hängt.

Daß wir in einer Welt leben, in der derjenige, der die Lebenslügen der Teilnehmer benennt und rügt und der zur Menschwerdung auffordert, notwendig hingeschlachtet wird. In dieser Notwendigkeit ist aber die Wahrheit des Opfer Jesu aufgehoben. Wer davon spricht, daß der Tod am Kreuz nötig war, um die Erlösung zu erreichen, befindet sich bereits in völlig überflüssigen Bereichen des Denkens. Und wer sich die Selbsthingabe nicht anders denn als eine Inszenierung vorstellen kann, ist ebenso auf dem völlig falschen Dampfer. Christian Wetzel, Berlin