: Zwerg und Cyborg
■ Neue Comics von Bettina Bayerl und Matthias Schultheiss: Zwischen Mösen, Schwänzen und Propellern
Bettina Bayerl – Leichen pflastern ihren Weg
Es wird Abend am Elb-Anleger. Eine Frau und ein Mann öffnen eine Flasche Wein, nicken sich zu, es wird gemütlich auf der Bank. Unter Gelächter und Gebrabbel, einem Kleinkind angemessen, versenken sie eine CD von Chris Isaac und ein Buch von Konsalik. „Und die Elbe nahm ihren Lauf.“ Es wird sich zugeprostet: „Verflossene Lieben bedürfen weniger Worte“. So wird „beste Trauerarbeit“ auf Bayerlsche Art begangen – recht empfehlenswert, diese Methode.
Vergangenes Jahr ließ sie Keine Gnade mehr walten, die Folge kommt ein Jahr später: Leichen pflastern ihren Weg. So heißt das zweite Werk der Hamburger Cartoonistin und Zeichnerin, das soeben im Eichborn Verlag erschien. Gesamteindruck: leider nur nett. Denn dem lüsternen Titel wird der Inhalt nicht ganz gerecht. Manchmal wirken die Zeichnungen wie Überbleibsel aus der Schublade.
Nicht daß die kleinen fiesen Begebenheiten nicht erfreuten, schließlich gehört Bayerl zu den besten Cartoonistinnen Deutschlands. Doch im Vergleich zu der Bissigkeit und Power ihres ersten Bandes fällt das heurige Werk ab. Der Witz ist bekannt, die Episoden zu lapidar und pointless. Manche Strips wirken fast versöhnlich, menschenfreundlich und harmonisch. Da richtet auch der aggressive Strich nichts mehr aus, der schlurig-expressive Stil, der zumindest dezent an den französischen Comic-Star Reiser erinnert.
Thematisch hat sich fast nichts verändert: Es geht um Mösen und Schwänze, Titten und Ärsche – Sinnbilder des heterosexuellen Geschlechts- und Beziehungs-Lebens, das sich oft in krasser Verelendung abzuspielen scheint und darum Anlaß genug bietet, mit bissigem Witz und schneller Feder drüber herzufallen. Als eine neue Facette in der Bayerlschen Welt erscheint die Studie über die Zwerge – ein schöner Witz, der auch am Kneipentresen gut kommt.
Niedlich wirkt dagegen die Felduntersuchung über kleine, unschuldige Tampons, die des nachts in der Schublade zu wispern beginnen: „Welche großen und dunklen Abenteuer sie wohl erwarteten“? Eines wahrscheinlich nicht – in der Elbe versenkt zu werden. Schließlich ist die Beziehung zwischen Tampon und Frau zwar wechselhaft, aber innig. Greta Eck
Eichborn Verlag, 22,80 Mark
Matthias Schultheiss – Propellermann II
Superheld zu schaffen, ist nicht schwer, Superheld zu sein, dagegen sehr. Da muß man sich mit bösen und völlig skrupellosen Mächtigen messen, ihre Monster und Cyborgs bekämpfen und dabei auch noch auf die Suche nach der eigenen Identität gehen. Dazu ist es immer Nacht und der eigene Körper aus Metall. Ja, man hat es schon schwer in der Zukunft.
Wie schön, daß wenigstens Gut und Böse so klar getrennt sind, daß keine Mißverständisse entstehen können. Sonst müßte man als Superheld ja auch noch richtig denken können, und das ist ja ein bißchen viel verlangt, selbst wenn der eigene Erfinder Matthias Schultheiss heißt. Sein neuer Comic vom Propellermann mixt dann auch in schöner Einfachheit die Regeln des Genres mit etwas New Romancer-Apokalypse, würzt es mit Phantasiegestalten und deftigen Gewaltexzessen, um es längs einer dürftigen Story und dümmlichen Sprechblasen zu einem Happy-End zu jagen, daß nach Fortsetzung schreit.
Wie schon in früheren Schultheiss-Bänden mangelt es auch im Propellermann an einer geistvollen Geschichte, an Charakteren und spannenden Konflikten. Schultheiss ist ein brillanter Zeichner, der seine Seiten und Einzelbilder mit viel Stil und Geschick komponiert, aber seine Erzählungen sind einfach dürr, seine Figuren schön gezeichnete Kult-Abziehbildchen von Null-Persönlichkeiten. Zäh und durchsichtig schleppt sich die Familienzusammenführung von hohläugigen Menschen und fliegenden Maschine, die man nur optisch gerne weiterverfolgt, dahin. Der Mann braucht einen Partner!
Till Briegleb
Hummel, 100 S., 34,90 Mark
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