„Sie werden mich verurteilen müssen“

Wegen Verbreitung der Auschwitz-Leugnung steht der Neonazi Ewald Althans seit gestern in München vor Gericht / 45seitige Anklageschrift listet akribisch Einzeldelikte auf  ■ Aus München Bernd Siegler

Die Videokassette trägt den harmlosen Titel „100 Jahre Eiffelturm“. Das fein säuberlich auf die Hülle gemalte Hakenkreuz in Regenbogenfarben läßt hingegen anderes über den Inhalt vermuten. Das Band, das der Münchner Kriminalpolizei bei dem Neonazi Bela Ewald Althans in die Hände fällt, enthält Aufnahmen der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Adolf Hitler 1989 in Spanien. Althans marschiert bei der Demonstration in Madrid in erster Reihe, die rechte Hand zum „Hitlergruß“ gestreckt. Wenig später skandieren die Rechtsextremisten „Der Holocaust ist eine Lüge“ und lassen Hitler mit einem „dreifach kräftigen ,Sieg Heil!‘“ hochleben.

Fünf Jahre später marschiert Althans in das Münchner Landgericht. Der smarte, stets gut gekleidete Yuppie-Neonazi, den als Hauptdarsteller des umstrittenen Dokumentarfilms „Beruf Neonazi“ ein Verfahren wegen Volksverhetzung in Berlin erwartet, gefällt sich im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras.

Dennoch kaut der 28jährige nervös auf einem Kaugummi herum, schließlich könnte er zu einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren verurteilt werden. Althans muß sich zusammen mit dem 25jährigen Stefan Jahnel vor der 2. Strafkammer wegen Beleidigung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Verstößen gegen das Urheberrecht, der Verbreitung von verfassungswidrigen Propagandamitteln und der Aufstachelung zum Rassenhaß verantworten. Auf Videos hatte er auch die Existenz von Gaskammern in Auschwitz geleugnet.

Akribisch genau sind die Einzeldelikte in der 45 Seiten umfassenden Anklageschrift aufgeführt. Seit dem Skandal um das Mannheimer Urteil gegen den NPD- Vorsitzenden Deckert weiß die Münchner Staatsanwaltschaft um die Bedeutung des Verfahrens gegen den Rechtsextremisten.

Schon als Teenager tummelte sich Althans in der rechtsextremen Szene. Er schloß sich früh dem Neonazi-Chef Michael Kühnen an, ließ sich vom notorischen Auschwitz-Leugner Otto Ernst Remer schulen und gründete das „Deutsche Jugendbildungswerk“, um die Neonazi-Szene zu schulen. Über einen Laden in München verbreitete er bis Ende 1992 Propagandamaterialien und organisierte Veranstaltungen mit den führenden Protagonisten der Auschwitz- Leugnung. Dabei, so die Staatsanwaltschaft, erhielt er „massive finanzielle und logistische Unterstützung“ von dem in Kanada lebenden Revisionisten Ernst Zündel. „Video ist die neue Waffe“, lautet Zündels Devise, der die Massenvergasungen von Juden als „nachwirkende Kriegspropaganda“ und „internationale Volksverhetzung gegen das deutsche Volk“ bezeichnet.

Alle notorischen Auschwitz- Leugner holte Althans vor die Kamera und vertrieb die Kassetten über seine mehrere tausend Personen umfassende Kundenkartei. In Interviews nahm er kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, den Grund für sein rechtsradikales Engagement zu verdeutlichen: „Auschwitz muß fallen, dann erst können die Leute akzeptieren, was wir wollen.“ Bei Großveranstaltungen avancierte er zum Star der Neonazi-Szene. Althans' Stern in dieser Szene begann zu sinken, als er als Homosexueller geoutet wurde. In der Folge machte er sich in der Bundesrepublik rar und pflegte seine Kontakte zur russischen antisemitschen Pamjat-Bewegung.

Noch im Mai 1993 war Althans vom Münchner Amtsgericht vom Vorwurf der Verbreitung der Auschwitz-Leugnung freigesprochen worden. Amtsrichter Florian Schenk befand, Althans habe Auschwitz nicht geleugnet, sondern lediglich Zweifel am Holocaust geäußert. Dies sei zulässig.

Vor dem Landgericht stellt sich Althans jetzt als Opfer dar. Aufgrund seiner politischen Überzeugung sei er aus der Schule geflogen, habe keine Lehrstelle bekommen, Berufsverbot erhalten und sei um Einnahmen von „mindestens einer halben Million Mark betrogen worden“. Er habe „durch alle Rassen hindurch sehr gute Freunde, inklusive Juden“ und vertrete einen „penetranten Legalismus“. In seinen revisionistischen Videos habe er nur „offenkundige Positionen bezogen“. Eine Kostprobe: „In einen 700 Grad heißen Ofen kann ich keine Leiche hineinwerfen, die spritzt mir um die Ohren.“

Die Anklageschrift bezeichnet er als „reinen Hohn“. Er habe „nur Dokumentationen“ vertrieben, ihm gehe es lediglich um die „freie Meinungsäußerung“. Sätze, wie der Holocaust sei die „größte Lüge dieses Jahrhunderts“, stellten nur eine „unüberlegte Wortwahl“ dar, eine verherrlichende Hitler-Biographie verharmlost er als „Chronologie aus der Sicht der damaligen Zeit“ und der erhobene rechte Arm sei ein „in vielen Ländern gängiger Gruß“.

Althans rechnet fest mit einer Verurteilung. „Sie werden mich verurteilen müssen, um nachher nicht der Nazikumpanei beschuldigt zu werden“, hielt er den Richtern der 2. Strafkammer vor. Von einer Verurteilung will er sich nicht beeindrucken lassen: „Ich halte mich für einen sympathischen, interessanten Mann, und ich werde weiterhin aufklären.“