Sanssouci: Vorschlag
■ The Schopenhauers singen FDJ-Lieder im Café Swing
„Wir haben ein Recht darauf, dich zu erkennen“, ließ die Sozialistische Einheits- Partei in den Sixties singen. So recht wollen die Schopenhauers 30 Jahre später jedoch nicht sagen, wo sie stehen: Das wahrscheinlich bekannteste Kampflied des singebewegten Oktober-Klubs, von der DDR-Gruppe „Team Vier“ zu Beatmusik veredelt, gehört jedenfalls zum Programm ihres Liederabends rund um fünf Jahre Mauerfall. Weniger beißwütig als die Hamburger Politsusen der Liedertafel Margot Honecker, dafür überaus lauschig, gefühlvoll und sanft interpretiert das Trio aus Werbefachleuten und Datenbankern DDR-Folklore aus zwei Jahrzehnten. Nur vom Klackern einer kleinen Beat-Box, spieldosenartig programmierten Atari-Computern, Flöte und Schellenring begleitet, werden wie in einer Friedrichstadtpalast-Revue Nummernsongs der Ost-Geschichte aufgereiht: „So wird es sein“, „Ist das klar?“ oder auch „Saigon ist frei“. Schöne Chorsätze, feine Terzschrittchen, harmonische Nonen und freches FDJ-Gepfeife finden zueinander, irgendwo zwischen Burt Bacharach und Ernst Busch. Proletenpassion unter der Discokugel.
Erstaunlicherweise hätte der Agit-Pop früher schon ohne Parteibuch funktionieren können. Endlos und hippiehordenmäßig, vernebelt oder mit hoher Stimme dämmern die Songgebilde um Planerfüllung und Solidarität vor sich hin, weichgespülter Arbeiterkampf nach Feierabend. Groß unterscheiden sich die Zielgruppenchansons über Lehrlinge und NVA-Soldaten vom Festival der Liebe bei Jürgen Marcus nicht. Vielleicht liegt es an der Ironie, dem Hang zum Camp, der Rolf Jungklaus über besonders peinliche Textpassagen hinwegkrächzen läßt, wenn der Klassenfeind in die Flucht gesungen wird. Bei der Auswahl hat die Band aus dem Westen sich geeinigt, nur Stücke zu spielen, die „in besonders haarsträubender Weise von Erntemaschinen, Klassenbrüdern und blutroten Fahnen berichten“. Harald Fricke
The Schopenhauers, 24 Uhr im Café Swing, Nollendorfplatz
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