Deutscher gerät in Abschiebehaft

■ Psychisch kranker Aussiedler aus Kasachstan verbrachte nach Ladendiebstahl vier Wochen in der Kruppstraße

Die Ausländerbehörde hat einen psychisch kranken deutschen Aussiedler aus Kasachstan einen Monat lang in Abschiebehaft festgehalten. Wie der Sprecher der Innenverwaltung, Norbert Schmidt, gegenüber der taz bestätigte, wurde der 36jährige am 5. Oktober bei einem Ladendiebstahl ohne Ausweispapiere angetroffen. Weil er kaum Deutsch sprechen konnte, habe die Vermutung nahegelegen, daß es sich um einen Ausländer handle. Er sei in den Polizeigewahrsam Kruppstraße gebracht worden. „Wir konnten nicht wissen, daß er Aussiedler ist“, so Schmidt. Auch als ein Dolmetscher hinzugezogen worden sei, habe er „sich nicht erklärt“. Er habe zudem einen falschen Namen angegeben und vor dem Haftrichter erklärt, er wisse nicht, woher er komme. Nachdem der Mann sich vor vier Tagen dem in der Kruppstraße tätigen Sozialarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes anvertraut hatte, überprüfte die Ausländerbehörde seine neuen Angaben. Danach handelt es sich um Andrej D., der in einer psychiatrischen Klinik im nordrhein-westfälischen Lengerich untergebracht war. Dort befinden sich auch seine Papiere. Rita Kantemir von der Flüchtlingsberatungsstelle der Bündnisgrünen, die den Fall öffentlich machte, teilte mit, daß Andrej D. zu seinen Eltern wollte. Bei der Familie handle es sich um anerkannte Aussiedler. Der Mann, den Kantemir als „verängstigt“ schilderte, wurde gestern aus der Abschiebehaft entlassen und nach Angaben eines DRK-Sprechers in einem Wohnheim des Roten Kreuzes untergebracht. Man bemühe sich nun um eine Familienzusammenführung.

„Unter Innensenator Heckelmann ist Berlin ein gefährliches Pflaster geworden“, erklärte Kantemir. „Niemand ist mehr sicher vor der Abschiebewut seiner Behörde.“ Jetzt müßten auch deutsche StaatsbürgerInnen befürchten, in Abschiebehaft zu geraten, wenn sie ohne Ausweispapiere angetroffen würden und sich nicht „,ordnungsgemäß‘ artikulieren“ könnten. Es sei unverständlich, daß den Verantwortlichen der psychische Zustand des Mannes nicht aufgefallen sei. Für Kantemir ist der Fall „ein weiterer Skandal in der langen Kette, die Berlins Innensenator Dieter Heckelmann zu verantworten hat“. Dorothee Winden