Schweinsrose und Rentierflechte

■ Galerie 13: Unbekannte moderne Spezien von Enver Hirsch

Eine weiße Plastikgans steht auf einem kleinen Stück Rasen zwischen zwei Häuserwänden und guckt dem Betrachter mit toten Augen entgegen. Anser caerulescens – Wildgans, so der Titel dieses Fotos des Hamburger Fotografen Enver Hirsch, ist Bestandteil einer Fotoreihe in der Galerie 13, die den Titel Botanisiertrommel trägt. So wie einst Forscher mit diesem Gerät durch die Landschaft zogen, um Exemplare unbekannter Gattungen aus Flora und Fauna zu sammeln, so zieht Hirsch mit seiner Kamera los und fängt mit ihr „moderne Spezien“ ein. In einer Art „Enzyklopädie“ präsentiert er Beispiele wie die Rosa porcus, die Schweinsrose, die er in der Fleischabteilung eines Supermarktes gefunden hat. Mit ihren grünen Plastikstengeln und zarten Kochschinkenblüten steht sie da und lockt potientelle Käufer.

Helianthus annuus dagegen wächst unter freiem Himmel und ist nur an einem ganz speziellem Ort zu finden. Diese stenöke Pflanze, eine Kreuzung aus Sonnenblume und gelb-grüner Plastikflasche, gedeiht nur in dem Vorgarten eines neunzigjährigen Engländers, der sie mit liebevoller Hingabe pflegt.

Angefangen hat Enver Hirsch mit Schwarz-Weiß Bildern urbaner Landschaften. Ihn faszinieren die „fließenden Grenzen zwischen Natur und Artifiziellem“. Die Bilder sind nicht von ihm inszeniert, er zeigt die Motive so, wie er sie vorgefunden hat. Er unterscheidet dabei zwischen „direkten Imitaten“ der Natur und Objekten, die aus dem menschlichen Einfluß in der Natur entstanden sind wie zum Beispiel die Rentierflechte, die nichts anderes ist, als ein mit Moos überwucherter Badezimmerteppich.

Martje Schulz

Galerie 13, Taubenstr. 13, Mi-Do 16-20, Fr 18-22, Sa 12-14 und 18-22 Uhr und nach Absprache, Tel: 317 18 88; bis 12.11.