Sanssouci
: Nachschlag

■ John Zorn bei Music Poetry Force im Tacheles

John Zorn, Detail Foto: Detlev Schilke

Das derzeit im Tacheles stattfindende erste „Music Poetry Force“ Festival scheint dem Prinzip verpflichtet, möglichst alles unter einen Hut zu bringen, der Hut muß nur groß genug sein. Der Berliner Geräuschemacher und Schriftsteller Blixa Bargeld („Ich habe keine Kreditkarte“) darf hier genauso auftreten wie Bands, die einfach poetische Namen tragen: „Ornament und Verbrechen“. Beim Auftritt von John Zorn am Dienstag kam es im Tacheles zum Krawall. John Zorn wurde vom Veranstalter „Downtown“ präsentiert, dieser verlangte satte 35 Mark Eintritt, ließ Gästelisten vom Tacheles nicht gelten und verwehrte Leuten mit einer Festivalkarte den Zugang. Bei Poetry Force geht es laut Programmheft um „die Bereitschaft zum Risiko, Überwindung von Angst – letztendlich um die totale Entblößung des intimen Ichs“. Aber auch mit totaler Blöße kam keiner mehr rein – ausverkauft! Schön bei Zorn ist, daß er eigentlich spielen kann, wie und was er will, irgend jemand ist immer beleidigt. Der Abend mit seinem „Masada“ Quartett, mit dem er noch keine Platte eingespielt hat, vergrätzte einige der Anhänger der Zorn-Hardcore- Abteilung – „zu ruhig“, hieß es zur Pause bei Fans von „Torturegarden“ und „Painkiller“. Die Freunde des musikalischen Folterwesens waren vielleicht dem Foto einer Gefesselten im Programmheft aufgesessen. Anders als die stakkatohaften 45-Sekunden-Stücke, mit deren Druckwelle er sonst jene aus dem Saal pustet, die diesmal standhaft blieben, ist Masada eher ein improvisierter Spaziergang. Nicht nur wegen der viel zu kleinen PA gibt's keinen Krach, sondern Zorn light mit echten Schlagzeug- oder Trompetensoli. In Begeisterung geraten die Leute schon bei einer geringfügigen Verzerrung des Trompetensounds von Dave Douglas. Vielleicht ist es nur Zufall, aber es paßt zu Zorn: am Vorabend der sich jährenden Pogromnacht spielt er in der Hauptstadt des Terrors eben nicht seine Platte „Kristallnacht“. Andreas Becker

Music Poetry Force: heute, 22 Uhr Delkom mit Robert Görl (Ex- DAF) „Techno is a living Technology“, morgen, 22–11 Uhr DJ Tanith & DJ Rok, Tacheles, Oranienburger 54/56, Mitte.