piwik no script img

Wann gibt Neumann Mandat zurück?

■ Vorstrafe und angebliches Strafverfahren gegen Bundestagsabgeordneten Kurt Neumann – SPD ist sauer

Einzelne Sozialdemokraten, die nicht namentlich genannt werden möchten, sind „erschüttert“ und haben „Angst“, morgens die Zeitung aufzuschlagen. Denn ein Mitglied ihrer Partei, gerade als Berliner Direktkandidat in den Bundestag eingezogen, sorgt für negative Schlagzeilen: Rechtsanwalt Kurt Neumann hat trotz seiner Kandidatur für den Bundestag der eigenen Partei gegenüber verschwiegen, daß er wegen Steuerhinterziehung vorbestraft und wegen standeswidrigen Verhaltens von der Anwaltskammer mit einer Geldbuße in Höhe von 25.000 Mark belegt worden ist. Nach einem Bericht der Morgenpost soll derzeit auch ein Strafverfahren gegen Neumann wegen des Verdachts auf Untreue anhängig sein. Außerdem gebe es „weitere Vorgänge in der ungefähr gleichen Größenordnung“. Die Staatsanwaltschaft wollte die Behauptung weder bestätigen noch dementieren.

Neumann ist derzeit für Journalisten, aber auch für die eigenen Genossen so gut wie nicht erreichbar. Der Sitzung des Landesvorstands am Montag in der Weddinger Parteizentrale war er ferngeblieben. Doch gestern vormittag mußte er den acht anderen Berliner Bundestagsabgeordneten der SPD-Fraktion Rede und Antwort stehen. Bei dem Gespräch im Reichstag soll Neumann bestritten haben, daß die Staatsanwaltschaft derzeit gegen ihn ermittelt. Einer seiner Mandanten wiederum hat angekündigt, Neumanns Abgeordnetenbezüge pfänden zu lassen. Das Amtsgericht hatte Jörn-Steffen A. bestätigt, daß er Anspruch auf 5.000 Mark Schadenersatz habe, weil Rechtsanwalt Neumann seine Kündigungsschutzklage verschleppt hat. Doch der Jurist ist der Zahlung offenbar bis heute nicht nachgekommen.

In CDU-Kreisen hieß es, daß die ehemalige Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) von den Ermittlungen gegen Neumann bereits vor anderthalb Jahren wußte, aber entsprechende Parteigremien trotz seiner Kandidatur nicht infomiert habe. SPD-Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung bestätigte der taz, daß seine Partei von Limbach nicht informiert worden sei. Die Ex-Senatorin, jetzt Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, ließ gestern nur ausrichten, sie wolle sich zu der Angelegenheit nicht äußern. Hartung will heute abend und Landesvorsitzender Detlef Dzembritzki morgen mit Neumann ein „klärendes Gespräch“ führen. SPD-Bundesvorsitzender Rudolf Scharping behauptete gestern auf Anfrage, den Fall nur aus der Zeitung zu kennen, und verweigerte eine Stellungnahme.

Der Parteilinke und ehemalige Juso-Vorsitzende Neumann ist bereits angeschlagen. Im April war er auf Platz vier der Landesliste für die Bundestagswahl nicht durchzusetzen, und im Wahlkreis Kreuzberg/Schöneberg bekam die SPD ungewöhnlicherweise mehr Zweitstimmen als Neumann Erststimmen. Sein Konkurrent von der CDU, Jochen Feilcke, der gegen Neumann unterlag, hatte bereits vergangene Woche einen Teil der Vorwürfe gegen den SPD-Politiker bekannt gemacht. Die CDU fordert, daß Neumann sein Bundestagsmandat zurückgibt. Die Sozialdemokratin Angelika Barbe aus dem Ostteil der Stadt würde nachrücken. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen