Identität (un-)geschützt

■ betr.: „Gegen Sextourismus“, Foto auf Seite 4, taz vom 4. 11. 94

[...] Befremdlich wirkt neben dem Artikel die von Bettina Flitner/laif abgedruckte Fotografie. Betrachtet man die männliche Person genauer, so könnte man zuerst glauben, es handele sich um einen bekannten süddeutschen Politiker, dem die dicken Augenbrauen etwas tiefer in das Gesicht gerutscht sind. Schaut man genauer hin, so wird ersichtlich, daß es sich hierbei nicht um Augenbrauen handelt, sondern um einen „schwarzen Balken“, der wohl die Identität des Mannes schützen soll!

Warum wird ein solches Foto in der taz abgedruckt? Warum wird nicht die Identität des Mädchens (Recht am Bild der eigenen Person) geschützt? Weil sie eine Prostituierte in einem Drittweltland ist, keine Rechte hat und in den Medien, auch in der taz, als solche gezeigt werden darf! Weil sie wahrscheinlich nie in die Lage kommen wird, gegen die Veröffentlichung dieses Fotos Klage zu erheben! Der dicke weiße Mann schon, deswegen wird seine Identität geschützt.

Peinlich und abschreckend. Erst ein kritischer Artikel und dann ein Foto dazu, das die patriarchalen und sexistischen Ausbeutungsverhältnisse dokumentiert – bestätigt – und transportiert. Andreas Flessa, München