LehrerInnenfortbildung

■ betr.: „Zehn kleine Negerlein“, taz vom 2. 11. 94

Warum wird das inkriminierte Lied nicht einfach umgetauft in „Zehn kleine Lehrerlein“? Die Broschüre müßte nicht eingestampft werden, der Text übersteht in der Neufassung jeden Ideologietest: Daß Lehrer saufen, sich totschießen oder vor Blödheit vom Katheder fallen, würde den Kids früh pädagogisch wertvolle Einblicke in unsere soziale Realität verschaffen. Aus den lieben Kleinen würden keine Rassisten werden, sondern aufrechte Demokraten, die früh eine Resistenz gegen die larmoyante Überkorrektheit des Neuen Mittelstands entwickelt hätten. Klaus Jarchow, Bremen

Das rassistische Lied von den „Zehn kleinen Negerlein“ ist mitnichten nur „so durchgerutscht“, wie die taz laut dem Bericht informiert wurde. Die HerausgeberInnen der Fortbildungsbroschüre für LehrerInnen hatten sehr wohl die rassistische Brisanz des Liedes erkannt, wie eine entsprechende Anmerkung dazu beweist. Nachdem es demnach kein Versehen war, weshalb das Lied in die Sammlung aufgenommen wurde, was war es dann?

Zur Kenntnis lege ich meine eigene Stellungnahme bei:

An den Leiter des Berliner Instituts für Lehrerfort- und -weiterbildung und Schulentwicklung (BIL), Berlin

[...] Lebten wir vor 60 Jahren, hätte wohl kaum jemand an dem Lied und den didaktischen Informationen, so wie sie jetzt vom BIL herausgegeben wurden, Anstoß genommen, denn es hätte der damals herrschenden Ideologie entsprochen: Und die war rassistisch.

Nun leben wir nicht mehr im Jahre 1934, sondern 1994 und haben seit dieser Zeit einige Erfahrungen mit rassistischer Ideologie gemacht; und daß Rassismus und rassistische Ausschreitungen nicht der Vergangenheit angehören, davon können wir uns fast täglich in der Presse überzeugen.

Ich weiß nicht, welche Qualifikation die MitarbeiterInnen Ihres Instituts benötigen, um in der LehrerInnenfortbildung tätig sein zu können oder für die LehrerInnenfortbildung Fortbildungshefte herausgeben zu dürfen; eines kann ich jedoch mit Bestimmtheit sagen: Die Aufnahme dieses überaus rassistischen Kinderliedes in eine von einem offiziellen Institut herausgegebene Broschüre ist ein Skandal: Da mühen sich landauf, landab engagierte LehrerInnen um eine antirassistische Erziehung ihrer SchülerInnen; und das Berliner Institut für LehrerInnenfort- und -weiterbildung, statt Hilfen zu geben, konterkariert diese harte und mühsame Arbeit.

Daß unsere Gesellschaft zunehmend rassistischer und gewaltbereiter wird, ist leider ein trauriges Faktum; daß jedoch ein Fortbildungsinstitut dem durch rassistische Arbeitsmaterialien und unsinnige didaktische Anweisungen noch Vorschub leistet, ist in höchstem Maße skandalös: Sollen die SchülerInnen etwa lernen, daß man dunkelhäutige Menschen nicht nur aus der S-Bahn werfen, sondern sie auch im Sumpf/Wasser ertränken kann?

Ich fordere Sie auf, das Fortbildungsheft sofort zurückzuziehen und einstampfen zu lassen: Das ist in diesem Fall der beste Dienst, den Sie Berliner LehrerInnen zukommen lassen können. Und für die weitere LehrerInnenfortbildung haben sich die beiden HerausgeberInnen selbst disqualifiziert. Helmut Essinger,

Freie Universität Berlin,

Fachbereich Erziehungs- und

Unterrichtswissenschaften