Offenes Fenster im Genlabor

■ Angeblich wurden keine krebserregenden Viren bei einem Zwischenfall im Paul-Ehrlich-Institut in Langen freigesetzt / Labor vorsorglich begast

Frankfurt/Main (taz) – Es seien keine onkogenen Viren in der Schale gewesen, die am Montag im Genlabor des bundeseigenen Paul- Ehrlich-Instituts im hessischen Langen auf den Boden fiel und zerbrach. Das jedenfalls versicherte gestern auf Nachfrage der taz die Sprecherin des hessischen Umweltministeriums, Renate Gunzenhauser, und berief sich dabei auf die Angaben der Institutsleitung.

Glück im Unglück bedeutet das vor allem für die Laborantin, der nach einem unerwarteten Schlag eines Festerflügels auf ihr Mikroskop die Glasschale entglitten war. Weil das gerade stattfindende Experiment gescheitert sei, so Gunzenhauser weiter, wären alle freigesetzten Viren bereits abgetötet gewesen. Deshalb könne man „mit großer Wahrscheinlichkeit“ davon ausgehen, daß durch den Vorfall keine gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt gelangt seien.

Experimentiert wurde in dem Labor mit gentechnisch veränderten, krebserregenden Mäusezellen im Rahmen eines Krebsforschungsprogramms. Den WissenschaftlerInnen am Paul- Ehrlicher-Institut geht es dabei um Erkenntnisse, wie der Übergangsprozeß von gutartigen Zellen in bösartige Tumorzellen vonstatten geht.

Auf Anordnung des Staatlichen Amtes für Immissionsschutz in Frankfurt am Main wurde das Labor in Langen umgehend geschlossen. Experten sollen jetzt herausfinden, wie es dazu kommen konnte, daß in einem Labor mit der zweithöchsten Sicherheitsstufe (S 3) überhaupt ein Fenster aufspringen konnte. Erste Analysen deuten darauf hin, daß sich das Fenster aufgrund von Druckschwankungen im Labor mit Schwung öffnete und dabei das Mikroskop von einem Fensterflügel getroffen wurde.

Um alle Risiken auszuschließen, soll das gesamte Labor „vorsorglich begast“ werden, wobei alle eventuell vorhandenen gentechnisch veränderten Organismen vernichtet würden. Sofort nach dem Zwischenfall sei das Fenster wieder geschlossen und abgedichtet worden. Außerdem wurde den Angaben zufolge der gesamte Raum desinfiziert. Die Laborantin, die bei dem Unfall keine offenen Wunden davongetragen habe, wurde umgehend zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht.

Für den stellvertretenden Institutspräsidenten Johannes Löwer ist der Vorfall nach wie vor „unerklärlich“. Das Fenster sei schließlich mit schweren Griffen gesichert und zusätzlich verplombt gewesen. Wie es zu den Druckveränderungen im Labor habe kommen können, müsse jetzt gründlich untersucht werden.

In Laboratorien der Sicherheitsstufe S 3 ist ein permanenter Unterdruck vorgeschrieben. Der Unterdruck soll ein Entweichen von Mikroorganismen aus dem Sicherheitsbereich in die Umgebung verhindern. Wie das hessiche Umweltministerium mitteilte, werden jetzt alle Fenster und auch die gesamte Lüftungsanlage der insgesamt drei Laboratorien der Sicherheitsstufe S 3 beim Ehrlich- Institut „auf Herz und Nieren“ geprüft.

Einen Termin für die Wiedereröffnung der Forschungseinheiten, in denen auch mit dem Aids-Erreger HIV experimentiert wird, konnte Ministeriumssprecherin Gunzenhauser gestern noch nicht benennen. Klaus-Peter Klingelschmitt