Uns' einziges Genie?

■ Horst Janssen feiert am Montag seinen 65. Geburtstag und wird in drei Ausstellungen ausführlichst gefeiert

Zweifelsohne, Horst Janssen kann was er macht. Egal ob er Servietten bekritzelt, Briefe malt, Illustrationen radiert oder Landschaften aquarelliert. Zum 65. Geburtstag am 14. November haben gleich drei Hamburger Museen das berühmt-berüchtigten Hamburger Zeichner-Original wiederentdeckt und ehren ihn mit Austellungen, die zusammen betrachtet eine über fünfhundert Blätter umfassende Retrospektive darstellen. Mal vom Kunstbetrieb ignoriert und dann wieder zu überschwenglich gelobt: die Rezeption paßt sich dem impulsiven Leben des Wahlhamburgers an. Nach seinem Studium an der Hochschule für bildene Künste in Hamburg machte er in den fünfziger Jahren Glasfenster und Tapisserien, schrieb eigene Texte, radierte und machte Künstlerbücher. 1968 bekam er den ersten Preis der Biennale di Venezia.

Der Graphiker hatte nicht nur einen eigenen Strich mit hohem Wiedererkennungswert gefunden, er fand auch das Sammelinteresse von Importkaufleuten und gehobenen Beamten, für die eine Kunst, die sie irgendwo zwischen Rembrandt und der Moderne ansiedelten, die geeignete Dekoration war.

Der Erste Bürgermeister dieser Stadt wollte zum sechzigsten Geburtstag vor fünf Jahren voller Begeisterung eine Blankeneser Villa zum Horst-Janssen-Museum machen, ein Plan der nicht nur an allen demokratischen Prozeduren vorbei ging, sondern auch übersah, daß das dort residierende Ortsamt nicht die geringste Lust verspürte, zu weichen. Nachdem eine Alternative gefunden war, lehnte der Künstler dankend, aber bestimmt das Angebot ab. Gestern kam diese Diskussion zu einem vorläufigen Ende: Ein sprachlich vollkommen enthemmter Henning Voscherau verkündete, im neuen Ungersbau werde „unserem einzigen lebenden Genie in Hamburg“ ein permanenter Janssen-Raum eingerichtet.

Die beflissene Begeisterung paßt gut zu einem Künstler, der schlagfertig, trinkfest und libidinös so wunderbar das ihm zugedachte Bild der Boheme ausfüllt: Ein egomanes, gleichwohl veröffentlichtes Leben, zu dem die Auswahl der genialischen Künstlerbriefe im Museum für Kunst und Gewerbe Mosaiksteine von Liebe und Verzweiflung in übersprudelnder Bildfindung liefern.

1990 stürzt der Zeichner mitsamt seinem Balkon voller Ätzmittel drei Meter in die Tiefe und verletzt seine Augen. In der Genesungsphase auf dem Land entstehen die Landschaftsbilder aus „Bobethanien“, mit Feder gefaßte expressive und farbstarke Aquarelle, die jetzt das Zentrum der Altonaer Ausstellung bilden.

Horst Janssen benutzt ausschließlich traditionelle Mittel für seine chamäleoneske Kunst. Und er ist dabei schon so etwas wie ein „Rembrandt der Postmoderne“, sitzen ihm doch neben dem Schalk die historischen Malerkollegen aller Zeiten im Nacken. Auf Papieren aus dem 18. Jahrhundert entstehen manieristische Welten, im Angesicht eines Kupferstichs von Dürer realisiert Janssen sogleich in altdeutscher Manier die vorgestellte Vorlage, und der Nachmittagsausflug überführt die Elbmarsch in niederländische Landschaftsbilder.

Hajo Schiff

Hamburger Kunsthalle, „Zwiesprache: Anspielung und Kopie“, bis 22. 1., Katalog: 28 Mark, Vorzugsausgabe mit Originalradierung 340 Mark

Altonaer Museum, „Landschaften“, bis 12. 2., Katalog 38 Mark

Museum für Kunst und Gewerbe, „Selbst: Gewörtert“, bis 22. 1., Katalog, Edition Braus 48 Mark