Auftrag: Keinen durchlassen!

■ Prügel oder doch keine Prügel? Ein Prozeß wg. Randale vor dem „Phantom der Oper“ wird wieder aufgerollt

„Welchen Zweck sollte der Wasserwerfereinsatz eigentlich haben?“ Der Richter versteht die Polizeitaktik nicht, der Einsatzleiter kann sie auch nicht erklären. Das Chaos anläßlich der Randale zur Premiere von „Phantom der Oper“ – seit gestern steht es wieder im Mittelpunkt einer Verhandlung vor dem Altonaer Amtsgericht.

Der Angeklagte Stefan M. soll an jenem 29. Juni 1990 einen Passanten in eine Fensterscheibe gedrückt und anschließend verprügelt haben, als er als Mitglied des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) den Holstenplatz abriegelte. Auftrag: Keinen durchlassen.

Auch nicht, als gegen 21.29 Uhr Wasserwerfer den Holstenplatz in Richtung der Sperren Suttner- und Stresemannstraße freispritzen wollten. In dieses Getümmel war der Schüler Timur L. geraten. Stefan M.: „Er versuchte die Absperrung zu durchbrechen und ist gegen meinen Schild gelaufen.“ Dann habe er versucht, sich an der Hauswand „durchzuquetschen“. Stefan M.: „Er ist dann in die Schaufensterscheibe gefallen. Ich habe ihn aber nicht geschlagen.“

Dem widerspricht der Verletzte: Er habe zunächst vom Bahnhof her die Sperre problemlos in Richtung Holstenstraße passieren können. Als ihm plötzlich der Wasserwerfer entgegengekommen sei, sei er umgekehrt und wollte wiederum die MEK-Kette durchqueren.

Timur L.: „Der Beamte hat seinen Schild hochgehoben und in die Scheibe gedrückt. Ich habe die Scheibe im Rücken gespürt, dann ist sie zerbrochen. Danach hat er mit dem Knüppel auf mich eingeschlagen.“ Die Folge: Timur L. erlitt Prellungen.

Während der MEKler den Eindruck zu vermitteln versucht, der Mehrzweckkampfstock „Tonfa“ könne gar nicht als Schlagstock benutzt werden, bestätigen zwei Zeugen die Knüppel-Schläge. Durchaus glaubwürdig. Denn natürlich kann ein Tonfa – der sich von einem Schlagstock nur aufgrund eines Griffes unterscheidet – sehr wohl als „normaler Knüppel“ eingesetzt werden.

Schon ein Amtsrichter hatte Stefan M. keinen Glauben geschenkt und ihn wegen „Körperverletzung im Amt“ zu sechs Monaten Knast auf Bewährung verurteilt. Das Oberlandesgericht hob das Urteil aber wegen eines „Formfehlers“ auf. Der Prozeß wird fortgesetzt.

Kai von Appen